Die Stahlkönige
auch keine Zeitgrenze für deinen Aufenthalt.«
Das hatte Hael erwartet. In einem unterdrückten Land litten alle, die den Bedürfnissen der Reichen dienten, unter weniger Einschränkungen als andere. Neugierig musterte der Mann Haels Schwert.
»Innerhalb der Stadtmauern darfst du keine Waffen tragen. Lass das Schwert im Gasthof. Jeder Bewaffnete wird verhaftet.«
Zorn stieg in Hael auf. Seit seiner Ernennung zum Krieger vor fünfundzwanzig Jahren war er nicht mehr unbewaffnet gewesen. Jetzt sah er keine andere Möglichkeit, um Aufsehen zu vermeiden.
»Wie du wünschst, werter Herr.« Er nahm den Gürtel ab und wickelte ihn um die Waffe.
»Du kannst jetzt gehen.« Die Wachen sahen Hael mit finsteren Blicken nach, als er den Raum verließ.
Er kehrte ins Gasthaus zurück, um das Schwert in seinem Zimmer aufzubewahren, hängte sich aber den auseinander genommenen Speer über den Rücken. Der Behälter ließ keine Waffe vermuten, und er fühlte sich nicht so nackt. Er zog Erkundigungen ein und gelangte zu einem kleinen Geschäftsviertel, in dem mit Luxusgütern gehandelt wurde. Kostbar gewandete Menschen schlenderten zwischen kleinen Geschäften umher, die mit schweren Fensterläden versehen waren.
Er sah sich genau um. Ein paar Kaufleute handelten mit Juwelen, andere mit Duftwässern oder Stoffen. Hael ging weiter. Zwischen einem Arzneihändler und einem Geschäft, das seltene Gewürze anbot, fand er, was er suchte. In einem großen Schaufenster stand auf einem kunstvoll drapierten, purpurroten Tuch die wunderschöne Statue einer tanzenden Göttin. Der anmutige Körper bestand aus rotem Stein, die Augen aus Gold. Hael wusste, dass es sich nicht um eine hiesige Göttin handelte. Jeder, der diese Statue erwarb, tat es allein um ihrer Schönheit willen. Er betrat den Laden.
Innen war es kühl und dämmrig, aber ein Oberlicht und geschickt angebrachte Spiegel beleuchteten die zum Verkauf ausgestellten Waren. Hael erblickte eine in Chiwa gemalte Miniatur, einen überaus kostbaren Gobelin, dessen leuchtende Farben und geometrische Formen ins Auge stachen, sowie ein Relief aus poliertem Jaspis, das erotische Szenen darstellte. Auch die übrigen Dinge im Laden waren geschmackvoll und kostbar.
»Kann ich behilflich sein?« Hael wandte sich um und sah einen Mann mittleren Alters auf sich zukommen, der ihn prüfend musterte. Er wusste, was der Mann dachte: Der Fremdling war nicht erlesen genug gekleidet, um ein Kunde zu sein, aber auch nicht so schäbig, als wäre er versehentlich in den Laden geraten.
»Das hoffe ich. Ich heiße Alsa und handle mit kostbaren Gegenständen für Personen von Stand. Ich bin gerade angekommen und suche eine Möglichkeit, meine Waren auszustellen. Ist das hier möglich?«
»Nun, ich habe es hin und wieder gemacht«, meinte der Mann vorsichtig. »Natürlich bekomme ich dafür eine Provision, und es geht nur, wenn die Waren meinem sonstigen Angebot an Güte und Seltenheit gleichkommen. Meine Kunden stammen aus den höchsten Kreisen und haben einen wahrhaft erlesenen Geschmack.«
»Nur solche Leute sind in der Lage, meine Ware zu bezahlen und zu schätzen«, entgegnete Hael.
»Hast du ein Muster mitgebracht?«
Hael zog einen flachen hölzernen Kasten aus der Tasche. Vorsichtig legte er ihn auf einen Tisch unter dem Oberlicht und öffnete ihn. Auf einem Samttuch lag ein Gegenstand aus Bronze, der aus zwei exzentrischen Ringen bestand, über denen ein drehbarer Zeiger befestigt war. Alle Metalloberflächen waren wundervoll verziert und mit Gravuren versehen. An einigen Stellen am Rand der Ringe steckten winzige Juwelen im Metall. Der Mann betrachtete den Gegenstand lange Zeit schweigend.
»Wundervoll!« sagte er schließlich. »Das ist ein Astrolabium, nicht wahr?«
»Stimmt. Also hast du schon dergleichen gesehen?«
»Nur selten. Ich weiß, dass es zur Navigation dient. Die Seeleute, welche die Ozeane weit im Osten und Süden befahren, verwenden Astrolabien, um anhand der Sternbilder ihren Kurs zu bestimmen. Aber bisher habe ich nur ganz einfache Geräte aus schlichter Bronze oder Holz gesehen.«
»Glaubst du, ich werde einen Käufer dafür finden?«
»Hast du noch mehr davon?«
»Nur ein Astrolabium, aber meine übrigen Waren sind ähnlich – lauter nützliche Dinge, die von den geschicktesten Handwerkern und Künstlern Nevas und anderer westlicher Länder hergestellt wurden. Ich handle nicht mit reinen Kunstgegenständen wie deine Vasen, Statuen und Teppiche.«
Der Kaufmann nickte.
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