Die Stahlkönige
verschwamm und wurde wieder klar, als befände er sich in einem Traum. In einem Augenblick kam es ihm vor, als ritte er durch einen Tunnel, denn die Äste bildeten über seinem Kopf ein grünes Dach, das kein Lichtstrahl durchdrang. Im nächsten Moment ritt er über eine grüne Wiese, auf der große Tiere gemächlich grasten, aber er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er dorthin gekommen war.
Irgendwann fand er sich inmitten gewaltiger Ruinen wieder. Überreste hoher Mauern und Säulen lagen herum, von Ranken und Büschen überwuchert. Drei Stockwerke eines Turms standen noch aufrecht. Früher einmal war er bedeutend höher gewesen. Grimmige Gesichter blickten von einigen Mauern zu ihm herab. Er wunderte sich, welche Menschen die Gebäude errichtet hatten, aber sie verschwanden sofort wieder. Später fragte er sich, ob er wirklich Ruinen gesehen hatte. Vielleicht hatte es sich bloß um Fieberträume gehandelt.
Kurz vor Sonnenuntergang fiel er aus dem Sattel. Er schien zu schweben, während sich die Welt um ihn herum drehte. Die unsanfte Landung riss ihn jäh in die Wirklichkeit zurück. Rasende Schmerzen durchfuhren ihn und er schrie auf. Vergessen war jeglicher Stolz. Er schrie gellend und schämte sich nicht. Es war das Einzige, was er tun konnte. Nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, ließ der Schmerz nach und beschränkte sich auf das Bein und die Seite. Das Cabo blickte neugierig auf ihn herab, ehe es zu grasen begann.
Kairn glaubte, er würde sterben, und die Vorstellung war ihm nicht unangenehm, denn der Tod würde ihn von diesen Schmerzen erlösen. Er dachte an sein Cabo. Wie sollte es dem Tier ergehen, wenn es an seinen Leichnam gefesselt war? Konnte es die Zügel durchbeißen? Vielleicht wurde es von einem Raubtier angegriffen und überwältigt. Er zog die Hände auf die Brust und versuchte, die Knoten zu lösen. Beide Hände waren taub geworden. Die Anstrengung war zuviel. Er gab auf und verlor das Bewusstsein.
Als Kairn wieder zu sich kam, war es dämmrig, und der Geruch von Rauch lag in der Luft. Er lag auf einem Sack, der mit duftenden Pflanzen ausgestopft war. Ein rötlicher Schimmer verriet ihm, dass er in der Nähe eines Feuers lag, aber er traute sich nicht, den Kopf zu drehen, da er befürchtete, dass der Schmerz zurückkehren würde. Über sich erblickte er eine Reihe Stangen, die rußgeschwärzt und noch mit Rinde bedeckt waren. Ein seltsamer Vogel hockte auf einer dieser Stangen und starrte ihn aus riesigen Augen über einem kurzen, gebogenen Schnabel neugierig an.
Kairn dachte an seine Wunden. Im Oberschenkel verspürte er ein dumpfes Pochen. Der Schmerz an der Seite war weniger stark. Die Schmerzen schienen nicht mehr so schlimm zu sein wie vorher, aber vielleicht lag es daran, dass er jetzt stillag. Offenbar war außer ihm niemand in dem Raum, und er schlief wieder ein.
Eine Veränderung weckte ihn. Die Tür war geöffnet worden, und Licht durchflutete den Raum. Dann wurde es wieder dämmrig, aber er hörte, wie sich jemand bewegte. Es raschelte und kühle Luft drang an seinen Körper. Jemand hatte ihm die Decke abgenommen. Er öffnete die Augen.
»In deiner Heimat ziehen sie harte Burschen heran«, sagte eine Frau. Sie hatte ein rundes, zartes Gesicht und große braune Augen. Schwarze Haare fielen ihr auf die Schultern und in die Stirn.
»Ja, das habe ich auch schon gehört«, antwortete Kairn und war erstaunt, wie schwach seine Stimme klang.
»Jede dieser Wunden war lebensgefährlich. Schon allein der Blutverlust hätte tödlich sein können. Das gleiche gilt für die Entzündung. Nun, du hast es geschafft, und meine Heilkünste haben die Entzündung besiegt, aber ich glaubte einige Male, dich verloren zu haben. Glaubst du an Götter, Fremder?«
»Wir haben nur Geister«, erwiderte Kairn. »Götter sind etwas für Ausländer.«
»Ich glaube an Götter, denn einer von ihnen muss über dich gewacht haben. Abgesehen von den Wunden und der Entzündung wärst du an Unterkühlung und Entkräftung gestorben, wenn du nicht ausgerechnet hier vom Cabo gefallen wärst. Meine Hütte ist die einzige im ganzen Umkreis.«
»Mein Cabo«, stöhnte er. »Wo ist es?«
»Du stammst sicher aus der Steppe, weil du dir mehr Sorgen um das Tier machst als um dich.«
»Ich lebe oder sterbe«, entgegnete Kairn. »Was auch immer – ich will nicht zu Fuß gehen.«
»Es ist draußen in meinem Pferch und hat ausreichend Futter und Wasser. Du dagegen bist in einem furchtbaren Zustand. Du
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