Die Stahlkönige
Bilder, die mit glänzender Farbe auf einen Untergrund aus Holz oder straff gespanntem Stoff gemalt und von kunstvoll geschnitzten Holzrahmen eingefasst waren. Er sah ein paar Portraits, die durch den Schmutz der Jahrhunderte düster geworden waren. Ein sehr großes Gemälde stellte eine Festlichkeit oder einen Ball dar, auf dem Menschen in unbeschreiblich aufwendigen Roben unnatürlich steif herumstanden. Die Bedeutung des Bildes blieb Hael ein Rätsel.
Er wandte sich ab. In einer Ecke stand auf einem Podest die Statue eines Mannes. Der Kopf reichte Hael bis an die Brust, obwohl er durch die massige Gestalt größer wirkte. Er trug ein langes Gewand, unter dem die breiten, nackten Füße und die dicken Waden zu sehen waren. Er stand hochaufgerichtet, einen Fuß vor den anderen gesetzt. Ein Arm hing herab, der andere war am Ellbogen abgewinkelt, und der Ärmel enthüllte einen muskulösen Unterarm und eine geballte knorrige Faust. Haare und Bart zierten künstliche Locken, und die seitlich der spitzen gebogenen Nase sitzenden Augen blickten geradeaus. Trotz der Schlichtheit und der steifen Pose strahlte die Statue eine geheimnisvolle Kraft aus. Das Podest war über und über mit seltsamen Schriftzeichen bedeckt. So etwas hatte Hael schon einmal gesehen. Die Figur sah wie der Wächter aus, eine gigantische Statue, die am Ausgang des Gebirgspasses stand, der seine Heimat mit der südlichen Wüste verband, in der die Stahlmine lag, die Grundlage seiner Macht. Bisher hatte er kein Artefakt jener längst untergegangenen Zivilisation entdeckt.
Noch andere außergewöhnliche Dinge befanden sich im Raum. Mitten auf dem Tisch stand ein Kerzenleuchter aus buntem Porzellan. Die Arme waren wie blühende Ranken geformt und die Farben der Blüten leuchteten strahlend hell. Hael erkannte, dass der Leuchter aus den Werkstätten von Floria stammte, einer nördlich von Neva gelegenen Stadt, die vor vielen Jahren bei der Invasion von Gasams Truppen fast vollständig vernichtet worden war. Er fragte sich, wie ein so zerbrechlicher Gegenstand die Reise überstanden hatte.
»Gefallen dir meine Sachen?« Er wandte sich um und erblickte eine Frau in kostbaren Gewändern, die das braune Haar in einer komplizierten Frisur hoch auf dem Kopf aufgetürmt trug. Hael verneigte sich höflich, wie man es ihn vor vielen Jahren in Neva gelehrt hatte.
»Ich bin Alsa und handle mit Kunstgegenständen. Ich stehe dir zu Diensten, werte Dame.«
»Ich habe dich erwartet und dich von der Galerie aus beobachtet.« Sie deutete mit dem zusammengefalteten Fächer auf einen steinernen Balkon, der am Ende des Zimmers ein Stück weit in den Raum hineinragte. »Du hast einen ausgezeichneten Geschmack, denn die Stücke, die du dir genauer angesehen hast, waren die besten meiner Sammlung.«
Ihr Kleid hatte lange Ärmel, ließ aber die Schultern und den Oberkörper fast bis zu den Brustwarzen frei. Wie auch das Gesicht waren sie magentarot gepudert. Die ungewöhnlich großen Augen waren schwarz umrandet, die Lippen dunkelviolett geschminkt. Einstmals musste sie eine große Schönheit gewesen sein. Teilweise war sie es noch immer, aber die Zeit und das Leben in Luxus hatten tiefe Spuren hinterlassen. Die Augen waren zu groß, und auch das Lächeln war zu breit und gab den Blick auf Zähne frei, die ausnahmslos vergoldet waren.
»Sicher«, antwortete Hael. »Kunstwerke sind mein Lebensinhalt und mein Beruf. Deine Sammlung ist wundervoll für …«
»Für eine grässliche Stadt wie Felsenstein, wo ein qualmendes, stinkendes Gerät wie das Feuerrohr als Inbegriff der Schönheit gilt. Du darfst ruhig ehrlich sein. Ich bin die erste, die zugibt, dass mein Volk für seinen Mangel an Geschmack berühmt ist.«
»Dann preise ich mich glücklich, die Ausnahme kennen zu lernen.«
Das Lächeln wurde noch herzlicher. »Ich bin nicht die einzige Ausnahme, aber die beste, die dir begegnen wird.«
»Vielleicht auch nicht.« Das Lächeln drohte zu erlöschen, und er fuhr fort: »Für meine Reise wählte ich kunstvoll gearbeitete Gebrauchsgegenstände, da ich hoffte, hier Liebhaber dafür zu finden. Und nun stehe ich jemandem gegenüber, der Schönheit um ihrer selbst willen schätzt.«
Ihr Lächeln wurde wieder so strahlend wie zuvor. »Da bin ich wirklich die Einzige. Allerdings weiß ich auch Waren wie deine zu schätzen.«
»Gestattest du, dass ich sie dir zeige?«
»Selbstverständlich.«
Er stellte seinen Kasten auf den Tisch und öffnete ihn. Auf einem Samttuch lag
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