Die Stahlkönige
ausgezeichneten Geschmack. Talhaus ist wahrscheinlich der reichste von uns. Das ist übrigens bloß sein Titel. Seinen Namen, den ich nicht einmal kenne, benützt er nie. Schrecklicher Angeber. Dann ist da noch Graf Breitfeld. Er ist noch nicht eingetroffen, wird aber bald kommen. Er ist ein wenig sonderbar, aber sehr gebildet. Unterhalte dich ausgiebig mit ihm. Aus diesem Grund habe ich ihn dir beim Essen gegenüber gesetzt.« Sie fuhr fort, die Gäste nicht gerade schmeichelhaft zu beschreiben.
Bei ihrem Eintritt wandten sich die Anwesenden ihnen zu, um den Neuankömmling neugierig zu mustern. Der Raum war hell erleuchtet und die Gäste waren erlesen gekleidet. Die maskenhafte Schminke verlieh ihnen in Haels Augen ein geisterhaftes Aussehen. Zwar stellten sie sich nicht in einer Reihe auf, aber Morgenvogel stellte sie in einer anscheinend streng festgelegten Reihenfolge vor. Graf Talhaus war groß und dick und trug viel zu enge Gewänder. Baronin Morgenröte trug ein Kleid, das ihre Brüste nicht bedeckte. Die Brustwarzen waren rot geschminkt und standen in seltsamem Kontrast zu dem blauen Puder, der den Rest der Haut bedeckte. Sie musterte Hael mit gierigen Blicken und lächelte mit silbern glänzenden Zähnen.
Hael hatte schon viel gesehen, aber nie zuvor hatte er Menschen mit so eigenartigen Namen und so bizarrem Äußeren erlebt. Sie unterschieden sich so stark von den Mezpanern, die er bisher kennen gelernt hatte, dass er sich fragte, ob der gesamte Adel so geartet war oder nur diese kleine dekadente Gruppe. Die seltsamen Namen bereiteten ihm große Schwierigkeiten, und er wusste, dass er sich die meiste Zeit mit der Anrede »werter Herr« und »werte Dame« würde behelfen müssen.
Haels einzigartige Waren bildeten den Mittelpunkt der langen Festtafel. Er wurde mit Fragen bestürmt, aber die Gastgeberin wünschte keine Erklärungen, bevor der letzte Gast eingetroffen war.
Als sich schlagartig Stille im Raum ausbreitete, wandte sich Hael um. Ein Mann war eingetreten und Morgenvogel eilte auf ihn zu. Sie nahm den Fremden bei der Hand und führte ihn zu Hael.
»Kaufmann Alsa, ich möchte dir Graf Breitfeld vorstellen.«
Hael nahm Breitfelds Hand. Der Graf war klein und trug schlichte silbergraue Kleidung mit einem Spitzenkragen. Seine Haut war ungewöhnlich bleich und nicht gepudert. Der dunkle Spitzbart war kurz gestutzt und die Enden des Schnurrbarts bogen sich nach oben. Die tiefschwarzen Haare hingen, zu einer Spitze geschnitten, tief in die Stirn, und die Augen waren ebenso schwarz wie das Haar.
»Sei willkommen, Meister Alsa!« Die Stimme war für einen so kleinen Mann überraschend tief. »Wie schön, einen so weit gereisten Mann unter uns zu haben, der so wunderbare Dinge mitbringt.« Mit funkelnden Augen musterte er den Tisch.
»Dann sollte ich euch besser etwas über meine Waren erzählen, wenn es unsere Gastgeberin gestattet.«
»Selbstverständlich«, sagte Morgenvogel.
»Mit eurer Erlaubnis werde ich am Kopfende des Tisches beginnen.« Mit diesen Worten begann Hael seinen gut geprobten Vortrag. Die Zuhörer lauschten andächtig, und in ihren Augen stand eine fast kindliche Gier, als jedes neue Spielzeug erklärt und vorgeführt wurde. Hael hoffte, seine Zeit nicht an eine Horde reicher Niemande zu verschwenden.
Während er sprach, fiel ihm auf, dass Breitfeld, der dicht neben ihm stand, von den anderen mit auffallendem Respekt behandelt wurde. Wenn er redete, schwiegen die übrigen Adligen, und niemand stellte sich dicht neben ihn. Das und die Tatsache, dass er sich nicht für seine Verspätung entschuldigt hatte, ließ auf eine sehr hohe Stellung schließen.
Am Fußende des Tisches nahm Hael einen der kleinsten Gegenstände in die Hand, ein kunstvoll verziertes Gerät aus Gold und Bronze mit vielen eigenartig geformten Löchern, Klemmen und einer schrägen, rasiermesserscharfen Klinge über einer ovalen Öffnung. Er reichte das Instrument herum, und die Adligen bewunderten die Ornamente, während sie zu erraten suchten, welchem Zweck es diente.
»Ich gebe zu, ich stehe vor einem Rätsel«, erklärte Breitfeld und gab Hael den Gegenstand zurück. »Was ist das?«
»Es handelt sich um ein ganz besonderes chirurgisches Gerät aus Chiwa. Es ist ein Sklavenkastrator.«
»Oh, den muss ich haben!«, rief Morgenröte, deren Gesicht vor Eifer glühte. Hael fragte sich, ob es klug gewesen war, das Gerät mitzubringen. Er hatte gedacht, die Adligen würden es als eine grässliche Kuriosität
Weitere Kostenlose Bücher