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Die Stahlkönige

Die Stahlkönige

Titel: Die Stahlkönige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Monaten hatte sie nichts mehr von ihm gehört, obwohl zwischen beiden Ländern ein ausgezeichnetes Nachrichtennetz bestand. Die Kuriere legten auf den schnellen Cabos Hunderte von Meilen in wenigen Tagen zurück, wenn das Wetter es zuließ. Aber Hael war verschwunden. Vielleicht war er tot. Seit ihrer Liebschaft waren Jahrzehnte vergangen, aber seine Bogenschützen waren die Einzigen, die ihr Land vor dem Wahnsinn und der Macht Gasams bewahren konnten.
    »Worauf legt der Feind den größten Wert?«, fragte sie den Kanzler.
    »Auf Waffen, Majestät. Speere, Schwerter, Äxte, Kriegsbeile und sogar auf Rüstungen, die den ganzen Körper bedecken.«
    Bei diesen Worten brachen die Generäle, die um den Tisch saßen und im Rat in der Überzahl waren, in schallendes Gelächter aus.
    »So ein Unsinn!«, rief der Prinzgemahl, ein ebenfalls mit Narben übersäter alter Veteran. »Gasams Elite besteht aus Inselbarbaren, die Rüstungen verachten. Niemals würde er Stahl für seine Fußsoldaten verschwenden!«
    Der Kanzler zog einen kleinen Gegenstand aus seiner Gürteltasche.
    »Vor einigen Tagen überschritt ein Wüstenbewohner die Grenze. Er eilte in die nächste Taverne und tauschte das hier gegen Getränke ein. Einer meiner Soldaten befand sich dort und war nüchtern genug, um den Fremden festzunehmen und mitsamt seiner Habe zu mir zu bringen.«
    Er ließ den Gegenstand herumgehen, und jeder, der ihn in die Hand nahm, schaute entsetzt drein. Als der Prinzgemahl auf seine Handfläche starrte, verdüsterte sich seine Miene. Ungeduldig entriss ihm die Königin den Stein des Anstoßes.
    Es handelte sich um eine Pfeilspitze, die sich aber von Tausenden von anderen Pfeilspitzen unterschied, die für gewöhnlich aus Stein oder aus Bronze bestanden. Diese jedoch hatte eine matte, silbrige Farbe und schien aus Stahl zu sein.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie den Prinzgemahl.
    »Majestät«, antwortete der Mann, der seit fünfzehn Jahren mit ihr verheiratet war und sie vor dem Rat mit aller Förmlichkeit ansprechen musste, »unter Gasams Truppen sind die Bogenschützen die am wenigsten geachteten Soldaten. Die Insulaner halten nur den Nahkampf für ehrenhaft. Sogar den Speerwurf sehen sie mehr als sportliches Vorspiel für die eigentliche Schlacht an. Der niedrigste Sklavenspeerwerfer zählt mehr als jeder Bogenschütze. Wenn Gasam diesen Männern Stahlspitzen gibt, dann weiß er, dass er mehr Stahl besitzt, als er jemals brauchen wird.«
    »Seit wann ist er in Besitz der Stahlmine?«, erkundigte sie sich.
    »Seit knapp einem Jahr, nehmen wir an«, antwortete Bardas, der Oberste Ratgeber.
    Eine Welle der Erleichterung durchlief Shazad. »Dann kann er noch nicht die ganze Armee mit Stahlwaffen ausgerüstet haben.«
    »Natürlich nicht«, versicherte ihr der Kanzler. »Ich brachte die Pfeilspitze mit, um Ihrer Majestät die Selbstsicherheit dieses Mannes in seine Stahlvorräte zu verdeutlichen. Sobald ich sie sah, rief ich Meisterschmiede herbei und befragte sie. Sie berichteten, dass sich die Stahlbearbeitung stark von der anderer Metalle wie Gold, Silber, Kupfer oder Bronze unterscheidet. Außerdem gibt es nur sehr wenige gute Stahlschmiede, und die meisten davon sind in das Land König Haels gezogen, da er seit Jahren Herr über die beinahe einzige Stahlmine der Welt war.«
    »Warum bewaffnet Gasam dann nicht seine Elitekrieger mit Stahlwaffen, sondern ausgerechnet die verachteten Bogenschützen?«
    »Die Schmiede erklärten, so kleine Gegenstände wären ideal, um neue fähige Männer auszubilden. Wenn sie genügend Erfahrung gewonnen haben, werden sie sich an schwierigere Aufgaben heranwagen. Schon bald stellen sie Speerspitzen her. Nach einem oder zwei Jahren Stahlarbeit sind sie in der Lage, Schwerter und Speere herzustellen, die ganz aus Metall bestehen und von den Shasinn bevorzugt werden.«
    »Er wird uns nicht angreifen, bevor die ganze Armee Stahlwaffen besitzt«, sagte Shazad.
    »Das wollen wir hoffen«, meinte Bardas vorsichtig.
    Die Königin entließ den Rat und ihren Gemahl und bat Bardas, sie in ihre Privatgemächer zu begleiten. Unter Verbeugungen entfernten sich die Männer, und die Herrscherin zog sich in die Räume zurück, die an das Ratszimmer grenzten. Ihre Zofen und Diener hatten die Terrasse vorbereitet, denn mit dem unfehlbaren Gespür gut geschulter Dienstboten wussten sie, dass eine unangenehme Versammlung hinter der Königin lag. Als sie sich in einen Sessel mit perfekt verteilten Kissen fallen

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