Die Stahlkönige
den Schwierigkeiten fertig.« Shazad war dafür bekannt, Schwierigkeiten nicht aus dem Weg zu gehen. Sie glaubte, jedes Problem könne bewältigt werden, und fand, man solle Taten nicht verschieben, wenn schnelles Handeln gefragt war.
»Du sagst, Gasam braucht wenigstens ein Jahr, vielleicht sogar zwei, um alle seine Männer mit Stahlwaffen auszurüsten. Wir werden etwas unternehmen. Zuerst kaufe ich allen Stahl auf, den König Hael übrig hat. Wahrscheinlich werden wir nicht die ganze Armee mit Stahlwaffen ausrüsten können, aber ich möchte in jeder Einheit so viel davon haben, dass sich die Männer an den Anblick gewöhnen.«
»Eine hervorragende Idee, Majestät«, murmelte Bardas.
»Zweitens: Ruft alle Waffenmeister der Armee und die. Vorsitzenden der Waffenschmiedegilde zusammen. Das soll so schnell wie möglich geschehen. Ich wünsche den Bau besserer Rüstungen, die sich Stahl gegenüber als widerstandsfähiger erweisen. Die Soldaten werden murren, denn solche Rüstungen und Schilde sind schwer, aber das muss sein. Außerdem sollen die Soldaten glauben, die neue Ausrüstung schütze sie vor Gasams Waffen.«
»Ein wunderbarer Gedanke, Majestät.«
»Bardas, ich habe schon genügend Schlachten erlebt und vieles gelernt. Am wichtigsten war Folgendes: Es gibt keine magischen Waffen und keine unbesiegbaren Krieger. Solche Dinge existieren nur in den Köpfen der Männer. Das meiste von dem, was im Krieg passiert, spielt sich in den Köpfen der Soldaten ab. Auf dem Schlachtfeld sind Ideen wichtiger als Waffen, die Anzahl der Soldaten oder die Taktiken. Die meisten Generäle werden eher durch eigene Hirngespinste als durch Feinde besiegt. Es sind Hirngespinste über die eigene Überlegenheit und die Zahl der Feinde.«
»Sehr weise, Majestät.«
»Behandle mich nicht von oben herab! Ich merke, dass du unbedingt etwas sagen willst. Heraus damit!« Sie nahm einen Schluck Wein und bemerkte verärgert, dass ihre Hand zitterte.
»Majestät, wir leben in einer Zeit, in der sich die ganze Welt verändert. So war es auch damals, als die Insulaner unsere Küsten unsicher machten. Deine Idee, Stahl zu kaufen, ist hervorragend, doch gilt es, einige Hürden zu überwinden. Erstens: Stahl ist sehr teuer …«
»Na und? Ich plündere die Schatzkammern und Tempel, wenn es nicht anders geht. Sie nützen uns nichts, wenn Gasam unser Land erobert.«
»Zweitens: König Hael ist nicht mehr Herr der Stahlmine. Vielleicht will er seine Vorräte nicht verkaufen.«
Das stimmte und brachte Shazad zum Nachdenken. »Ich werde König Hael die Dringlichkeit der Lage schildern. Gasam war schon lange sein Feind, ehe er sich gegen uns wandte.«
»Ja, das mag sich als hilfreich erweisen. Königliche Hoheit, ich weiß, dass du seit vielen Jahren einen Briefwechsel mit Königin Larissa unterhältst, nicht wahr?«
»Natürlich. Ihre Briefe sind amüsant, und wir verkehren freundschaftlich miteinander, obwohl wir uns hassen.«
»Wie gut, dass eure Beziehung einen freundschaftlichen Anstrich hat, Majestät, wie gut! Vielleicht wäre es ratsam, sich von nun an noch ein wenig freundschaftlicher zu geben.«
»Wie meinst du das?«, fragte Shazad mit eisiger Stimme.
»Verstehe mich nicht falsch, Majestät, aber wir müssen alte Ansichten und Bündnisse neu betrachten. Bisher war König Hael unser guter Freund und Gasam unser Todfeind. Die Welt verändert sich. Vielleicht ist die Zeit nahe, dass wir unsere Beziehungen zu beiden Herrschern überdenken sollten.«
Sie warf ihm einen bösen Blick zu. »Sorge dafür, dass sich die Gildenmeister versammeln! Du kannst jetzt gehen.«
Unter Verneigungen zog sich der Ratgeber zurück.
Endlich gestattete sich Shazad, vornüber zu sinken und das Gesicht in den Händen zu vergraben. Seit vielen Jahren vertraute sie Bardas. Jetzt durfte sie ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Er hegte verräterische Gedanken, und es fehlte nur ein einziger Schritt bis zur Intrige mit dem Feind. Sie musste ihre Spione anhalten, nach Anzeichen einer Verschwörung zwischen den Ratsmitgliedern und Gasam Ausschau zu halten. Sie durfte niemandem mehr vertrauen. Shazad richtete sich auf und verlangte nach mehr Wein, während sie ihre Schwäche verfluchte. Eine Monarchin durfte niemandem vertrauen.
In Neva war es Tradition, dass die Ratgeber und Generäle dem Hochadel angehörten. Die Männer des Hochadels waren reiche Großgrundbesitzer. Also hatten sie viel zu verlieren und scheuten davor zurück. Sie redeten viel von Ehre,
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