Die Stahlkönige
Mann.
Kairn zog sich wieder an und fuhr mit seiner Geschichte fort. Versonnen erzählte er von der Begegnung mit Sternenauge.
»Seltsam«, bemerkte Ansa, »dass wir beide auf heilkundige Frauen trafen. Du auf Sternenauge, ich auf Fyana. Glaubst du, eine geheime Macht ist am Werk und hat uns zu diesen Frauen geführt?«
»Jetzt redest du schon wie Vater«, meinte Kairn. »Er sprach von Bestimmung und wollte mich davon überzeugen. Es macht mir Angst und ich will nichts damit zu tun haben. Die Schwierigkeiten des Alltags reichen mir völlig, ohne auch noch in irgendwelche Fügungen des Schicksals verwickelt zu werden.«
Ansa stand auf und holte neue Getränke. Er kehrte zudem mit einer Schale voller frischer Früchte, Fladenbrot und Fleisch zurück. Sie aßen und unterhielten sich mit vollem Mund. Kairn beendete seine Geschichte, und Ansa erzählte ihm ausführlich von seinen eigenen Abenteuern, die Kairn bisher nur in groben Zügen gehört hatte, da er in größter Eile aufgebrochen war, um den Vater zu suchen.
Als beide geendet hatten, funkelten die ersten Sterne am Himmel. Die Luft war kühl geworden, und die Brüder hüllten sich in ihre Umhänge. Rings umher lagen schnarchende Männer auf dem Boden und der allgemeine Lärm war der Nachtruhe gewichen. Hier und dort hockten ein paar schlaflose Gestalten um die Feuer und unterhielten sich leise.
»Die Welt verändert sich erneut«, stellte Ansa fest. »So war es auch, als Vater die Inseln verließ und aufs Festland kam und als Gasam den ganzen Süden und Westen in Unruhe versetzte.«
»Ich glaube, es hängt alles zusammen«, entgegnete Kairn und dachte an die Dinge, die ihm seine Lehrer vor Jahren beigebracht hatten. »Hunderte von Jahren änderte sich kaum etwas. Völker führten wegen Kleinigkeiten Krieg gegeneinander, aber sonst geschah nichts. Alle Länder blieben unverändert. Die Grenzen verschoben sich ein wenig, blieben aber bestehen. Es herrschten immer die gleichen Dynastien. Dann tauchte Vater auf. Ehe man sich versah, entstand ein neues Königreich, wo es vorher keines gab. Kein kleiner unbedeutender Staat, sondern eine Großmacht, die das bisherige Gleichgewicht mit Leichtigkeit ins Schwanken bringen konnte.«
Diese Gedanken waren ihm neu, aber das ungewohnte Bier verlieh ihm Einsicht und Redegewandtheit. Jedenfalls kam es ihm so vor. »Dann kam Gasam, und alles brach zusammen. Alles, was zurzeit geschieht, beruht auf der Tatsache, dass Vater und Gasam sich seit Kindesbeinen hassen. Nein, das ist ungerecht. Vater hat immer getan, was er für sein Volk als das Beste ansah. Er hätte Gasam im Laufe der Jahre vergessen, wenn ihm der Schlächter nicht aufs Festland gefolgt wäre.«
»Und jetzt will Mezpa ebenfalls ein Weltreich gründen«, warf Ansa ein.
»Mezpa wurde nicht erst gestern geschaffen. Es besteht schon lange Zeit, breitete sich aus und verschlang schwächere Staaten. Es erscheint uns nur neu, weil es so weit entfernt liegt und nur in Geschichten auftauchte, die uns Reisende erzählten. Jetzt haben die Mezpaner den großen Fluss überquert, und die einzigen Richtungen, die ihnen zur Ausbreitung bleiben, sind die, in denen unser oder Gasams Land liegen. Anscheinend wünscht Todesmond, sich mit Gasam gegen uns zu verbünden.«
»Er hört sich wie ein seltsamer Kauz an«, bemerkte Ansa. »Gasam kann ich auf eine Art verstehen. Er ist ein Krieger und in mancher Hinsicht wie ein großes Kind, ein mutwilliger Knabe, der ganze Völker dazu bringt, für ihn zu töten und ihm zu gehorchen. Larissa ist die Klügere von beiden, und ich bin sicher, der eine wäre ohne den anderen nicht viel wert.
Aber dieser Todesmond ist mir ein Rätsel. Mal erscheint er wie ein Genie, mal wie ein Narr. Seine Untertanen verehren ihn nicht, wie es bei Gasam und unserem Vater der Fall ist. Stattdessen scheint er – wie soll ich es sagen? – eine Art stumme Drohung darzustellen. Was für ein Anführer mag er sein?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Kairn. »Selbst als er mich folterte, kam es mir vor, als befände ich mich in der Gewalt eines Kaufmanns oder Beamten. Ich bin nicht sicher, dass Todesmond ein richtiger Anführer ist wie Gasam, Königin Shazad oder unser Vater. Vielleicht stellt der Rat, der hinter ihm steht, die wahre böse Macht dar.«
Kairn fiel auf, dass sich Ansa und er nie zuvor so ernsthaft über Staatsangelegenheiten unterhalten hatten. Es war ein Zeichen ihres Erwachsenseins, wirkte ein wenig furchteinflößend und machte demütig, wenn
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