Die Stahlkönige
zog, bis die ersten Flüchtlinge in die Hauptstadt strömten. Gran wurde angegriffen, als man sich mitten in Friedensverhandlungen befand, und nun hatte Gasam alle Länder des Südens erobert.
Das war Gasam: ein immer hungriges Raubtier, das sich fortwährend nach dem Reichtum und der Macht anderer verzehrte. Er intrigierte und kämpfte, sprach mit Königen über Gleichheit, ohne es jemals ehrlich zu meinen, und nutzte die Schwächen und Hoffnungen anderer. Er griff an, ohne jemals einen richtigen Grund dafür zu haben.
Ein Kribbeln überlief Hael, und er wusste, er hatte den Schlüssel gefunden. Es war dumm, Gasam zu dessen Bedingungen zu bekämpfen. Warum hatte Gasam niemals ernsthaft versucht, seinen Erzfeind Hael anzugreifen? Weil Hael darauf vorbereitet war. Stattdessen überfiel Gasam nur ahnungslose Opfer. Und hier lag der Schlüssel zu Gasams Schwäche: Er war noch nie angegriffen worden!
Plötzlich bemerkte Hael, dass die Sonne aufging. Er hatte die Morgendämmerung völlig verpasst, da er so sehr in seiner Trance gefangen war. Die Geister hatten ihm die Antwort gegeben. Jetzt wusste er, wie er beide Feinde besiegen konnte. Mit einem Freudenschrei schleuderte er den Speer in die Luft und das helle Licht spiegelte sich in der Metallspitze. Er fing die Waffe auf, ehe sie den Boden berührte, und lief den Hügel hinab.
Schläfrige Krieger blinzelten verblüfft, als sie den halb nackten König durchs Lager rennen sahen, übermütig wie ein Knabe und mit dem breiten Grinsen eines Mannes, dessen Frau ihm gerade Zwillingssöhne geboren hat. Als er das königliche Zelt erreichte, erblickte Hael einen Unterhäuptling der Amsi, der mit ein paar jungen Kriegern müßig herumstand. Bei seinem Anblick salutierten sie.
»Amata, wie viele unserer Häuptlinge sind im Lager?«
»Mehr als die Hälfte, mein König!«
»Das reicht. Trommle sie zusammen. Gegen Mittag halten wir Kriegsrat.« Die jungen Krieger stießen Freudenschreie aus und stürmten davon. Innerhalb kürzester Zeit ertönten überall im Lager Jubelrufe. Hael betrat das Zelt und sah seine Frau, die auf dem Bett saß und sich den Schlaf aus den Augen rieb. Als sie ihn anschaute, lag Kummer in ihrem Blick.
»Ich kenne das Geschrei«, sagte sie. »Es bedeutet Krieg.« Dann musterte sie ihn eingehend. »Du warst wieder in den Hügeln. Haben dir die Geister gesagt, dass du in den Krieg ziehen sollst?«
»Dafür brauchte ich keine Geister. Ich habe dir doch gestern erzählt, was ich in Mezpa erfuhr. Ich habe zwei Möglichkeiten: Ich kann kämpfen und gewinnen oder kämpfen und verlieren. Ich ziehe es vor zu gewinnen.« Er zog sich langsam an.
»Habe ich dich zurückbekommen, um dich abermals zu verlieren? Wird es niemals Frieden geben?«
»Heute Nacht erfuhr ich, wie ich Gasam besiegen kann. Dadurch ist Mezpa auf sich allein gestellt und kann sich nicht mehr mit ihm verbünden. Wenn alles nach Plan verläuft, herrscht Frieden – vielleicht für den Rest unseres Lebens.«
»Das geht nur, wenn Gasam tot ist.«
»Ich wüsste keinen Grund, weshalb er nicht gemeinsam mit seinen Kriegern sterben sollte.«
»Glaubst du wirklich, du wirst es schaffen?«, fragte sie verblüfft.
»Es kann klappen. Es muss klappen. Lieber soll die ganze Welt untergehen als von Gasam erobert werden. Gasam und die Mezpaner wollen alle anderen zu Sklaven machen. Das werde ich nicht zulassen. Ich habe die Steppe in einen Übungsplatz für eine Armee verwandelt, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat, und nun werde ich sie einsetzen! Niemand kann sagen, es wäre kein gerechter Krieg.«
»Aber du wirst mich wieder allein lassen!«, rief sie verzweifelt. »Und unsere Söhne! Sie werden darauf bestehen, dich zu begleiten, und ich kann sie nicht aufhalten!«
»Das sollst du auch nicht«, erwiderte er und setzte sich neben sie. »Wie kann ich erwarten, dass meine jungen Krieger, die von ihren Familien so geliebt werden, wie wir unsere Kinder lieben, für mich ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn ich meine Söhne zurückhalte?«
»Das geht nicht«, stimmte sie zu. »Aber ist der Krieg die einzige Möglichkeit, die Schwierigkeiten zu lösen?«
»Gäbe es eine andere, würde ich sie ohne zu zögern ergreifen, das weißt du. Aber die Welt wird niemals Frieden haben, solange Gasam noch lebt. Die Mezpaner sind ähnlich gefährlich, nur nicht so vielschichtig wie er.«
Wieder brach sie in Tränen aus, konnte ihn aber nicht umstimmen. Es bedrückte Hael, dass seine Frau so litt, aber die Lage
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