Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
der Partei war Kotow, Sekretär des Bezirkskomitees. Der Bezirkssowjet war nicht da, er war schon am anderen Wolgaufer. Die Fabrikdirektion war nicht da. Der Fabrikdirektor kam am 25. September zurück. Das heißt, er wurde hergebracht, und ihm wurde mitgeteilt, er solle sitzen bleiben und sich nicht vom Fleck rühren, bis ihm etwas anderes gesagt würde.
In der Fabrik wurden Montagearbeiten durchgeführt. Das Montagewerk war nicht beschädigt mit Ausnahme des Glasdachs, das zersplittert war, und hier wurde die Montage durchgeführt. Als man die Werksleiter und Brigadiere zurückgeholt hatte, zwang man sie, diese Arbeit zu organisieren. Die Montage von Fertigteilen und Geräten ging organisiert vonstatten. Später wurden auch Reparaturen vorgenommen. Das Traktorenwerk war ebenfalls gesprengt worden, doch dann wurden dort die Montage von Einzelteilen und die Reparatur von Panzern organisiert, die vom Schlachtfeld zurückkamen.
Brigadekommissar Wassiljew (62. Armee): Hier hätte man das Parteiaktiv zurücklassen sollen, damit jede Wohnung, jedes Haus das Feuer erwidert hätte, dann wären die Deutschen nicht nach Stalingrad hineingekommen. Sie sind uns ja auf den Fersen gefolgt. Wir hatten keine Unterstützung. Die Stadt setzte sich nicht zur Wehr. […] Ich werfe nur die Frage auf, wenn man von 400000 Arbeitern 100000 aufgestellt hätte – das wäre doch schon eine Armee gewesen! Und es waren Waffen da, um sie auszurüsten. Man hätte sie auf der Höhe aufgestellt, und wenn uns so eine Abwehr unterstützt hätte, wären die Deutschen nie nach Stalingrad hineingekommen, wir hätten sie auf den Zugängen so gezaust, wie wir es dann in der Stadt gemacht haben. Wir hätten jetzt eine leichtere Aufgabe zu erledigen, wenn wir dort geblieben wären, aber in der Stadt ist das selbst mit unserem Können schwer und kompliziert und verursacht viel Blutvergießen. Der Fall ist klar – die Stadt wurde aufgegeben, nicht verteidigt.
Matewosjan (Chefingenieur der Fabrik »Roter Oktober«): Am 15. September waren wir bei General Tschuikow und dem Mitglied des Militärrats Gurow. Sie forderten mit Nachdruck, die Leute wegzubringen, und motivierten das so, dass Menschen umkommen würden – die schießen, wir schießen. Von dem Zeitpunkt an begannen wir mit dem Abtransport.
Burin (Aufklärer der 38. Schützenbrigade, ehem. Schlosser in der Fabrik »Barrikaden«): Die Arbeiter wurden ans andere Wolgaufer evakuiert. Dann wurde der Befehl gegeben, wir sollten mit den Werkbänken nach Leninsk fahren. Man nahm uns alle mit. Wir setzten nach Leninsk über. In Leninsk hieß es, wir würden nach Nowosibirsk evakuiert. Einige von uns kamen zu spät und wurden nicht mehr weggelassen. Später gab es den Befehl: Wer hinter den anderen Arbeitern zurückbleibt, wird nach den Evakuierungsverzeichnissen erfasst und in den Kombat [338] geschickt. Wir wurden erfasst und hingeschickt.
Wir wurden in Soljanka aufgestellt. Ich war der Einzige aus meinem Werk. Dann traf ich einen Kameraden aus derselben Fabrik, nur aus Werk 16, Nesnamow heißt er. Wir waren die ganze Zeit zusammen und sind es bis auf den heutigen Tag. […] Zuerst waren wir das Fabrik-Reserve-Schützenregiment. Dort wurden wir ausgebildet. Als die Ausbildung beendet war, wurden wir gefragt, wohin wir wollten. Ich ging zu den MPi-Schützen, dann wurde ich von den MPi-Schützen zu den Aufklärern verlegt.
Major Demtschenko (Kommandant Stalingrads): In der letzten Zeit haben wir die Leute zwangsweise weggeschafft. Einige waren der Meinung: Ich lebe hier schon 20 Jahre, warum soll ich weggehen. Die Stadt wird bis zum Letzten verteidigt, die Stadt wird nicht ausgeliefert. Sicher, es gab auch vereinzelt welche, die auf die Deutschen warteten. […] [Von der Bevölkerung aus den Fabrikbezirken] evakuierten wir vom 23. September bis zum 15. Oktober 149000 Familien. Allerdings wurde dafür auch die Miliz mobilisiert. Wir gingen durch alle Gräben, durch alle Bunker, brachten die Leute fort und transportierten sie ans linke Ufer. Nur wenige Einwohner blieben in der Stadt zurück, die meisten im Dserschinski- und im Woroschilow-Bezirk, die ganz plötzlich besetzt worden waren. In den anderen Bezirken waren nur vereinzelt Leute zurückgeblieben. Gebrechliche, Alte und Kranke. Auf dem Territorium, das die 62. Armee hielt, blieben sie auch bis zum Ende. Allerdings waren ziemlich viele Kinder da. Die Mütter waren getötet worden, die Kinder blieben zurück. Einige Kinder wurden in
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