Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
erwähnte kürzlich, dass er, als er diese Forderung erhielt, dem Chef der Artillerie schrieb: »Genosse Soundso, unverzüglich die Artillerie vernichten, damit das Kraftwerk wieder arbeiten kann.«
Subanow (Chefingenieur im Energiekombinat Stalgres): Bei starken Artillerieschlägen war es oft schwer für das Personal, das nach unseren Anweisungen an Plätze ging, wo weniger Gefahr bestand, von fallenden Bauteilen und explodierenden Granaten verletzt zu werden. Interessant war, dass man etwas Außergewöhnliches sehen oder besser hören konnte, wenn man in dieser Situation zur Schaltwarte ging: Vor dem Hintergrund der Artilleriemusik hörte man klassische Musikwerke, Gen. Karotschanski saß da und spielte auf dem Grammophon Schallplatten ab.
Babkin (1. Parteisekretär des Kirow-Bezirks): In der ersten Zeit rannten die Leute in die Gräben, wenn die Flugzeuge kamen und über die Siedlung flogen, sie versteckten sich; später haben sie sich daran gewöhnt. Eine Gruppe Flugzeuge kommt, die Leute können schon sagen, wo sie bombardieren werden. In Staraja Beketowka waren um die 30, 40 Katjuschas, sie schossen, und gleich fing die Windmühle an, sich zu drehen.
Als wir im Oktober in der Kolchose waren, sahen wir zu, wie die Katjuschas schossen. Eine Messerschmidt tauchte auf, machte eine Acht in der Luft und flog weg. Ich sagte, dass in zehn Minuten deutsche Flugzeuge dorthin kommen würden. 15 Minuten vergingen, und es tauchten deutsche Flugzeuge auf, fingen an zu bombardieren. Wir standen 250 Meter in der entsprechenden Richtung, sahen, dass sich von einem Flugzeug acht Bomben lösten, dann bombardierten die anderen, sie warfen die Bomben ab und flogen davon. Wir hörten Schreie, Stöhnen. Sahen, dass wieder Flugzeuge auf uns zu kamen, und gingen hinter dem Haus in Deckung. Zwei Bomben fielen in drei Metern, eine in fünf Metern Entfernung. Der Fahrer und ich bekamen einen Splitterhagel ab. Wir sahen, wie eine dritte Gruppe ankam. Und so bombardierten sie den ganzen Tag, doch die Leute verhielten sich bereits sehr gelassen, ohne Panik.
Am selben Ort feuerte auch eine Fernkampfartillerie; die Kinder standen auf Skiern und Schlitten da und warteten auf den Schuss, der Luftdruck der Detonation schob sie an, und sie sausten auf Skiern oder Schlitten den Hügel runter.
Subanow (Chefingenieur im Energiekombinat Stalgres): 4. November 1942. Nach der Nachtschicht und dem üblichen Herunterfahren des Kraftwerks legte sich das gesamte Personal schlafen (es war übrigens von den ersten Tagen der Belagerung an kaserniert worden). Die Leute hatten sich bereits so sehr an diese Lebensweise gewöhnt, dass der Artilleriebeschuss sie nicht daran hinderte, sich normal ausgezogen zu Bett zu legen. Und nun, um 8.30 Uhr am Morgen des 4. November, breiteten plötzlich faschistische Aasgeier ihre Flügel über dem Kraftwerk aus. 49 Ju-87 oder Musikanten, wie wir sie nannten, warfen systematisch Bomben ab, um unser Kraftwerk zu zerstören. Jedes dieser 49 griff mehrmals im Sturzflug an. Besonders unangenehm war das Heulen der Sirenen. Ich glaube nicht daran, dass man sich, sagen wir, an Artilleriebeschuss, an Bombardements gewöhnen kann, ich finde keine Wahrheit in dieser Aussage. Jedes Bombardement und jeder Artilleriebeschuss ist meiner Meinung nach für alle Menschen nur schwer und unter Qualen zu ertragen, und es kann lediglich darum gehen, wie sehr man sich beherrscht, wie sehr man seine Gefühle verbirgt. Also ich habe noch nie Schlimmeres erlebt, als ich in diesen Minuten erlebt habe. Ich habe schon oft gehört, dass die Rotarmisten weniger die Bomben fürchten als die Sirene des Bombers im Sturzflug. Nun habe ich mich davon überzeugt, dass das die reine Wahrheit ist. Tatsächlich, die Sirene bringt die Menschen außer Fassung. Tja, Sie können sich also vorstellen, was sich damals im Kraftwerk abspielte. Leute sprangen halbnackt aus den Betten, rannten in den Bunker, einige rannten zu den Aggregaten, um das Regime »Bereitschaft« für ein schweres Bombardement einzustellen.
Das Bombardement dauerte nicht lange, 20 bis 25 Minuten, doch für uns schien das eine Ewigkeit zu sein. Als die Flugzeuge abflogen, mussten wir einsehen, dass die Resultate dieses Bombardements außerordentlich stark waren. Während wir bis zu dem Tag kein einziges ernsthaftes Opfer zu beklagen hatten, waren es an dem Tag mehr als zwanzig. Sehr viele Aggregate waren beschädigt. Und das Kraftwerk war, nutzungstechnisch betrachtet, für lange Zeit
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