Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
eigene Haut zu schonen, das Vaterland auf Biegen und Brechen verteidigen. Wir führten das heldenhafte Vorgehen von Iwan Sussanin als Beispiel an und eine Reihe weiterer Vorbilder aus der Geschichte des russischen Volkes. All das pflanzte dem Bewusstsein eines jeden Soldaten Siegesgewissheit ein. Auf dem Vormarsch per Eisenbahn hielt ich unterwegs mehrere Vorträge und bereitete die Soldaten auf die Aufgaben vor, die ihnen in den Kämpfen bevorstanden. Auch andere Parteiarbeiter sprachen. Während der Haltezeiten wurden Gespräche geführt und Vorträge gehalten. All das taten wir, um in voller politischer Kampfbereitschaft an der Front einzutreffen. […]
Was die Bekämpfung der Luftkrankheit betraf, so wussten wir, dass wir an die Front fuhren und noch auf dem Marsch Kontakt mit Flugzeugen haben könnten. Deshalb hämmerten wir den Soldaten ein, dass man ein Flugzeug nicht nur mit einer Flakkanone abschießen könne, sondern auch mit dem Gewehr, der Maschinenpistole und der Panzerbüchse. Wir brachten Beispiele aus der Presse, wie ein Flugzeug mit dem Gewehr abgeschossen wurde, und hämmerten den Soldaten die Notwendigkeit ein, sich von dieser Angst zu befreien.
Die dritte Frage, die behandelt wurde, war die Forderung, sehr gut zu schießen, das betraf vor allem die Komsomolzen. Während der Gefechtsausbildung hatten wir etwa dreitausend Komsomolzen bei uns. Sie bekamen die Aufgabe, dass ein Viertel von ihnen Scharfschützen werden müsste, die übrigen sollten nur »gut« und »sehr gut« schießen können. […]
Vor dem Abmarsch an die Front führten wir eine umfangreiche parteipolitische Arbeit durch. Wir beriefen eine Versammlung des gesamten parteipolitischen Apparates ein und stellten uns die Aufgabe, an die Front zu kommen, ohne einen einzigen Soldaten und politischen Arbeiter in einem Untersuchungsverfahren abgezogen zu haben. Wir führten auch Versammlungen von Komsomolzenkompanien durch. Das Ergebnis dieser Arbeit war, dass wir ohne einen einzigen Deserteur an der Front ankamen. Es gab nur den einen Fall, dass ein Rotarmist aus unserer Stabskompanie sein Stutzgewehr aus Versehen hatte fallen lassen. Der Kommandeur der Stabsbatterie kam und meldete, der Rotarmist habe sein Gewehr drei Kilometer von hier verloren. Wir schickten ihn zurück, damit er seinen Karabiner suchte, nach etwa fünf Stunden war er wieder bei uns, nass bis auf die Haut, aber mit dem Gewehr. So hatten wir keinen Schwund. Wir brachten zwölftausend Mann an die Front. In sieben Tagen.
Generalmajor Gurtjew: Die Ausladestation war Kumalga. [406] Ein Teil der Division wurde in Kumalga ausgeladen, die Regimenter des anderen Teils waren an verschiedenen Orten weiter südlich und nördlich ausgeladen und dann zusammengezogen worden. Wir kamen wohlbehalten an. Nur ein Truppentransport war unter Beschuss geraten, ein Zugführer wurde verwundet. Nachdem wir uns in Kumalga gesammelt hatten, marschierten wir bis zum Dorf Jeterewo. Von dort marschierten wir Richtung Kotluban und Samochwalowka [407] . Wir marschierten mehrere Tage, ohne Zwischenfälle. Der Marsch war ziemlich schwer. Es war heiß, und da wir wenig Zeit hatten, wurden große Etappen zurückgelegt, die Transporte gerieten in Verzug. Wir marschierten ständig in Kolonnen. Teilten uns sofort auf und kamen wohlbehalten an. An einer Stelle verloren wir mehrere Männer und vier Pferde. […]
Unsere Division erlitt in den ersten Tagen große Verluste. Wir verloren viele Männer durch die feindliche Luftwaffe. Es gab viele Splitterverwundungen. Wir verloren auch durch das starke Granatwerferfeuer des Gegners Soldaten. In wenigen Tage durchliefen mehr als fünftausend unserer Männer das Sanitätsbataillon. Den ganzen Tag über, vom Morgengrauen bis zum Abend, wurden wir 15- bis 20-mal aus der Luft angegriffen, bis zu 40 feindliche Flugzeuge waren im Einsatz, und die ganze Zeit befanden wir uns unter Granatwerferfeuer. Unsere Luftwaffe war klein. Sie wurde im Gefecht eingesetzt, erfüllte aber nur allgemeine Aufgaben. Die deutsche Luftwaffe dominierte.
Oberstleutnant Swirin: Im Raum Kotluban trafen wir am 1.–2. September ein. Unsere Division befand sich mehrere Tage in der Verfügungsgewalt des Hauptquartiers, dann wurden wir der 24. Armee eingegliedert. Da erhielten wir von der Armee den Befehl, der die Kampfhandlungen der Division im Raum Kotluban betraf. Der Befehl lautete, nachts anzugreifen. Vor dem Abmarsch führten wir wieder in allen Regimentern und Bataillonen
Weitere Kostenlose Bücher