Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Gefangenen, den man ausquetschen könnte, bekämen wir gleichwohl nicht zu sehen – sowie sie einen gefangen hätten, würden sie ihn fertigmachen. Uns wurden ein Artillerieregiment, zwei »Katjuscha«-Divisionen und unser Bataillon zugeteilt. Um 6 Uhr gingen wir zur Offensive und droschen auf die Deutschen ein. [414]
Generalmajor Gurtjew: Den Auftrag, den wir erhalten hatten, führten wir nicht vollständig aus, aber die Höhen hatten wir doch eingenommen.
Wir wurden zum Befehlshaber der Front beordert, die Gen. Malenkow [415] und Jerjomenko sprachen mit uns vor Beginn der Kampfhandlungen; nach der Besetzung der Höhen wurde unsere Division nicht besonders gerügt.
Schwer zu sagen, warum wir den Auftrag nicht erfüllt hatten. Vielleicht, weil uns der Nachbar zur Linken nicht geholfen hatte, aber man muss die Gesamtlage an dem Frontabschnitt kennen, wir wurden also nicht gerügt, und dessen darf ich mich wohl rühmen, da manch anderer damals sein Fett abbekam. […]
Es kam nie vor, dass die Sperrabteilung bei uns Arbeit fand. Es gab ein paar Fälle von Fahnenflucht und Selbstverstümmelung, aber sie waren bei uns kein Massenphänomen. […] Die große Masse der Soldaten kämpfte sehr gut und tapfer, man kann sogar sagen, sie kämpften zu offen: kaum aufgestanden, waren sie nicht mehr zu halten. […]
Interessanterweise waren wir es, die die Höhen der Kommission zu Protokoll gaben. Die Höhe 143,8 war von uns besetzt worden, aber unser Nachbar war der Meinung, er habe die Höhe eingenommen. Ich erstattete Generalmajor Moskalenko [416] Meldung, dass ich die Höhe 143,8 eingenommen hätte, aber er glaubte mir nicht. Ich musste zusätzlich einen Topographen schicken, der die Höhe der Kommission zu Protokoll gab.
Bei Höhe 154,2 gab es noch mehr Scherereien. Hier mischte sich unser Nachbar zur Linken ein und beanspruchte für sich die Einnahme dieser Höhe. Sein Ausbildungsbataillon hielt die Höhe auf den Hängen links von uns besetzt, die Höhe selbst nahmen unsere Truppen ein. Ihr Stabschef war Schulgin, mit dem ich früher gemeinsam gedient hatte, aber hier zerstritten wir uns beinahe wegen dieser Höhe. […]
Am 26. und 27. September wurden wir abgezogen und nach Stalingrad geschickt. Wir marschierten drei Tage.
Oberstleutnant Swirin: Am 27. September erhielten wir den Befehl, unsere Division ins Hinterland in die Reserve zu führen. Am 28. erhielten wir den Befehl, nach Stalingrad zu marschieren und am 30. schon in Stalingrad zu sein. Wir schauten auf der Karte nach – 250 km. Aber der Befehl musste ausgeführt werden. Was wir uns gewünscht hatten, war eingetroffen – wir marschierten nach Stalingrad. Als die Leute erfuhren, dass wir unmittelbar nach Stalingrad marschieren und vom rechten an das linke Wolgaufer und wieder an das rechte übersetzen würden, nahmen sie diese Nachricht freudig auf.
Wir mussten eine Umgehung nehmen. Da erläuterten wir den Männern die Tradition der Verteidigung von Zarizyn. In Stalingrad machten wir die Verteidigung von Zarizyn zum Kern unserer politischen Arbeit und erklärten die Rolle von Genossen Stalin und der Genossen Woroschilow und Parchomenko bei der Verteidigung von Zarizyn. Als uns auch noch Malenkow und Schukow besuchten, berichteten sie, dass Gen. Stalin gesagt habe, Stalingrad dürfe nicht übergeben werden, koste es, was es wolle. Lieber sterben, aber nicht aus Stalingrad weichen. Im Weiteren berichteten sie, warum: Hinter Stalingrad kommt die Steppe, dann kommen Kuibyschew und Moskau. All das gaben wir an die Soldaten weiter und warnten vor dem, was uns drohte, wenn wir Stalingrad übergeben würden. […]
Vor dem Übergang ans rechte Wolgaufer fanden in jedem Regiment, Bataillon und in jeder Kompanie Versammlungen statt. Wir sagten: »Seht dort Stalingrad. Da stehen die Fabriken, da ist die Wolga, der breite russische Fluss, da sind die Häuser Stalingrads, der Stadt, wo der große Stalin gelebt hat. Wir haben uns am langen grauen Irtysch formiert, jetzt sind wir am breiten Ufer der russischen Wolga angekommen. Dort haben wir gelernt, und hier werden wir das Gelernte in die Tat umsetzen. Einst hat Gen. Stalin von diesem Ufer per Befehl alle Flöße und Boote verbannt, damit sie die Soldaten nicht verwirren und ihnen keine Angst einjagen. Deshalb werden auch wir, wenn wir ans rechte Wolgaufer übergesetzt sind, alle Boote zurückschicken, damit sie die Soldaten nicht verwirren, die nur vorwärtsgehen dürfen.«
So verliefen die
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