Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
dem Auftrag, wir sollten zu ihm kommen und einen Streit schlichten. Ich ging zum Divisionskommandeur und hielt mich mit ihm und zwei Majoren längere Zeit auf, um die Aufstellung unserer Truppen festzulegen. Ich hatte gerade die Schwelle überschritten, um ins Regiment zu gehen, da wurde mir gemeldet, dass der gesamte Stab des 339. Regiments von einem direkten Bombentreffer getötet worden sei. 17 Mann waren umgekommen, darunter ein Vertreter der Armee.
Koschkarjew (Sekretär des Parteibüros im 339. Regiment): Der Stab unseres Regiments richtete sich im Gebäude des Ladens »Gastronom« ein. Links von diesem Gebäude lag der Flugplatzgarten, wo unser Bataillon seine Stellung hatte. Die Sonderformationen befanden sich rechts von diesem Gebäude (die MPi-Schützenkompanie, die Panzerjägereinheit). Unsere Artillerie war noch auf dem Marsch. In diesem Gebäude befand sich der Divisionsstab, doch in der Nacht des 3. zogen dessen Leute ab, da es vonseiten der Deutschen den Versuch gab, dieses Gebäude zu beschießen.
Am 4. begannen die Deutschen den Angriff auf unsere Gefechtseinheiten, die im Flugplatzgarten und im Gebäude selbst lagen, in dem auch der Regimentsstab und die Einheiten des Kommandantendienstes untergebracht waren. Gegen 11 Uhr ging der Sturm mit 15 Panzern und Infanterie los. […] Das Gefecht am 4. Oktober dauerte den ganzen Tag. Unsere Einheiten wichen keinen Schritt zurück, und das Gebäude, gegen das die Deutschen anstürmten, blieb in unserer Hand. Hier zeigte Leutnant Schonin [417] , ein Komsomolze, außerordentlichen Heldenmut. Er hatte einen Antrag zur Aufnahme in die Partei gestellt, aber wir konnten ihn nicht mehr aufnehmen – er fiel am 5. Oktober. Er hatte persönlich 3 Panzer bewegungsunfähig geschossen.
Leutnant Boris Schonin
Bei Einbruch der Dunkelheit verließen wir das Gebäude des »Gastronom«, weil wir es für unzweckmäßig hielten, dort zu bleiben. Ein Teil unserer Soldaten und Kommandeure war ausgefallen, wir wussten, dass die Deutschen das Gebäude um jeden Preis einnehmen wollten, bekamen jedoch keine Verstärkung. Wir zogen in ein anderes Gebäude um, das 100–150 m niedriger lag, in die Werkspoliklinik, einen T-förmigen Bau. […] Als die Kommandeure der Unterabteilungen zur Besprechung kamen, auf der die gegenseitige Unterstützung abgestimmt werden sollte, schlug eine Bombe in das Stabsquartier ein und tötete alle, die sich dort befanden: den Regimentskommandeur, den Kriegskommissar des Regiments, den Stabschef, zwei Gehilfen des Regimentskommandeurs, den stellvertretenden Leiter der politischen Abteilung, den Bataillonsoberkommissar, den Vertreter der Front, den Adjutanten und andere. Ich war zufällig nicht dort anwesend, da ich Dokumente vom anderen Wolgaufer holen musste. Von den Männern in diesem Gebäude haben ich, Schigalin [418] und Fugenfirow [419] überlebt. Schigalin übernahm das Kommando. Ich war noch nicht lange in dieser Truppe, kannte aber Schigalin und bat ihn, das Kommando zu übernehmen, wir stellten die Verbindung zu den Bataillonen und zum Divisionsstab wieder her. Ich blieb in diesem Gebäude, um die Bestattungsarbeiten zu organisieren.
Major Belugin: Am Abend des 19. Oktober erschien ich beim Divisionskommandeur und meldete, ich sei genesen und wolle wieder meine Pflichten erfüllen. Der warmherzige, freudige Empfang des Kommandeurs, die vertraute Begegnung mit Kommissar Swirin und allen Stabsmitarbeitern gab mir neuen Mut und neuen Glauben an unsere gerechte Sache, an unsere Standhaftigkeit.
Man informierte mich über unsere Lage. »Vieles ist hier nicht so wie bei Kotluban auf Höhe 154,2«, teilte mir Oberst Gurtjew mit. »Und du weißt wohl, dass es bei uns um die Höhe 154,2 ein Gerangel gegeben hat. Alle behaupteten, nicht wir hätten sie eingenommen, und wir mussten eine ganze Armeekommission anfordern, um die Höhe an Ort und Stelle zu Protokoll zu geben. Schade, dass du nicht da warst.
Hier verhält es sich anders. Du siehst in 50 m die Wolga und den Feind 150 m vor uns. Und hier soll ich manövrieren. Auf diesen Streifen von 200 Metern geht jeden Tag ein scheußlicher Hagel nieder, Granaten, Minen, Kugeln ohne Zahl. Wir haben uns dran gewöhnt, aber du hast ruhig im Lazarett gelegen. Warte noch, geh noch nicht ins Regiment, bleib vorerst bei uns.« Alle Augenblicke redete mir mal Oberst Gurtjew, mal Bataillonskommissar Swirin zu, noch eine Weile bei ihnen zu bleiben. Ich blieb bis zur Nacht auf dem
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