Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Hellbeck
Vom Netzwerk:
zu dem Zeitpunkt bei der Einheit. Er kam. Wir gingen in den Unterstand. Der Stellvertreter des Kommandeurs der 131. Division kam ebenfalls zu mir und der Kommandeur der 20. Schützenbrigade. Wir aßen zusammen, tranken natürlich auch etwas. Zu dem Zeitpunkt hatte man uns per Boot Wassermelonen, saure Sahne, Hühnchen, Eier, Wodka und frische Äpfel gebracht, Oberleutnant Kulinitsch hatte das gemacht. Wir aßen gut, tranken etwas, besprachen die Frage, wie wir ausbrechen sollten. Wir mussten uns auf einer Distanz von 400 Metern durch die Gefechtsordnungen der Deutschen schlagen. Da der Befehl mir übergeben worden war, musste ich den Aufbruch und Ausbruch dieser vier Stäbe leiten. Ich übernahm denn auch den Oberbefehl zum Ausbruch der übrig gebliebenen Männer sowie der drei [sic] Stäbe. Die Kommandeure schlugen mir zu dem Zeitpunkt vor, den Ausbruch in Gruppen von fünf bis zehn Mann zu machen. Wir waren umzingelt, von unseren Verbänden abgeschnitten, der Gegner war an der linken Flanke durchgebrochen, an der Wolga, ebenso an der rechten, und von der Front kam er auch. Wir mussten uns durch seine Gefechtsordnungen schlagen.
    Ich lehnte den Vorschlag ab, die Stäbe [und Mannschaften] in Gruppen rauszubringen. Das könnte die Reste der Kampfkraft zunichtemachen. Wir beschlossen, nur kämpfend auszubrechen, wobei der Plan vor allem auf die Überrumpelung setzte. Warum ich davon ausging? Ich hatte weniger Kräfte als der Gegner. Er hatte etwa 200 Mann mit Granatwerfern, MGs, ich hatte mit der ganzen Führung zusammen etwa 70 Mann. […] Als alle Rotarmisten und Kommandeure versammelt waren, erklärte ich ihnen die Aufgabe, und wir bewegten uns kriechend in Richtung der vordersten Verteidigungslinie des Gegners. An meiner linken Flanke ließ ich ein schweres MG aufstellen, um entlang der Bahnlinie Deckung zu geben und dem Gegner die Möglichkeit zu nehmen, Verstärkung zur Wolga zu schicken.
    Der MG-Schütze hatte drei Munitionsgurte. Er war allein. Eine Nummer zwei [620]   hatte er nicht. Er machte sich bereit. Ich begann, mit den restlichen Männern und den Stäben durchzubrechen. Die Deutschen entdeckten uns, eröffneten heftiges MG- und Gewehrfeuer, schossen Leuchtraketen ab, eröffneten heftiges Granatwerferfeuer. Die Männer waren kaum zu sehen. Ich gab von vorne die Anweisung, sich rasch den deutschen Gefechtsordnungen zu nähern. Wir kamen näher. Man musste die Soldaten antreiben, vorwärtsstoßen, einige gingen nicht. Ich lief voran, steckte zusammen mit dem Kommissar Sprengkapseln in zwei Granaten.
    Was hat uns gerettet? Hinter den deutschen Gefechtsordnungen brannte ein Waggon, und wir konnten sie gut sehen, während man uns schlecht sah, weil die Deutschen vom Licht aus schauten. Ich nutzte das aus und führte die Soldaten sofort zum Angriff, lief mit dem Kommissar vorwärts, zog meine Pistole, rief: »Zum Angriff, vorwärts für die Heimat!«, gab die Losung aus: »Genossen, keinen Schritt zurück, nur vorwärts!« Da waren etwa 15 Deutsche in einem großen Bombentrichter. Bis dahin waren es noch 30 Meter. Ich warf eine Granate dorthin, dann eine zweite. Es ertönte Geschrei, Geheul. Sie riefen: »Russen, Russen!« Die Rotarmisten hatten gesehen, wie ich die Granaten warf, und liefen los. Leuchtraketen wurden nicht mehr abgeschossen, das Granatwerferfeuer war verstummt, nur die MGs feuerten noch, und es kamen Handgranaten zum Einsatz.
    Als ich vorwärtslief, stürzten alle Rotarmisten und Kommandeure mir nach. Sofort entstand ein Durcheinander, die Deutschen und unsere Männer warfen sich in den Nahkampf. Der Bajonettkampf begann. Es war dunkel: Man läuft heran, sieht, es sind die eigenen Leute, und läuft weiter. Wer eine Jacke trägt, ist Deutscher. Auch Granaten kamen jetzt zum Einsatz. Sie überschütteten uns mit Handgranaten, aber wir haben auch gut ausgeteilt. Sicher haben wir mehr als hundert Mann erledigt. Ein Durcheinander war das – man kannte sich nicht mehr aus. Der eine schrie: »Für die Heimat!«, der andere: »Für Stalin!«, der Nächste fluchte. Ich schrie die ganze Zeit: »Vorwärts, nicht zurückbleiben, nicht zurückbleiben, zur Wolga!« Von den Deutschen hörte man Gewinsel, die Verwundeten stöhnten. Unsere Männer sagen: »Ich bin verwundet, nehmt mich mit.« Deutsche Verwundete brüllen. Ein Albtraum war das.
    Als ich den Angriff eingeleitet hatte, verstummte Gewehr- und MPi-Feuer von deutscher Seite, und es begann ein Kampf nur mit Handgranaten und Bajonetten;

Weitere Kostenlose Bücher