Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
sagte:
»Geh weg, du störst mich beim Führen.«
Er sagte:
»Nein, Sie müssen nach vorne laufen.«
Alle schlugen sich nach vorne durch, um zu den Matrosen [621] zu kommen. Ich führte den Kampf noch 40 Minuten, ohne verbunden zu werden. Lief vor, ein Teil der Männer war schon durch, ein Teil kämpfte noch. Ich lief vor und kam zu den Matrosen. Der Führer eines MG-Zugs der 92. Brigade empfing mich. Ich fragte, wo Leute wären. Sie suchten 18 Mann zusammen, ich schickte sie mit dem Zugführer nach hinten. Sie gingen zurück, traten in den Kampf ein, und mit ihrer Unterstützung wurden die Übrigen rausgeholt und alle Verwundeten rausgetragen.
Da fühlte ich mich plötzlich schwach, weil schon 40 Minuten ohne Versorgung meiner Wunden vergangen waren. Ich hatte die ganze Zeit gerufen, meine Kehle war nach der Verwundung trocken, ich hatte Durst. Ein Matrose brachte mir im Helm Wasser, es roch nach Öl, und ich trank fast den ganzen Helm aus. Dann riefen sie einen Sanihelfer, ich wurde verbunden. Meine Männer waren wieder mit unseren Leuten vereint. Wir zogen uns zum Divisionsgefechtsstand zurück. Ich konnte nicht mehr gehen, der Kommissar und ich wurden getragen. Wir kamen am Gefechtsstand an, ich machte dem Divisionskommandeur Meldung, dass der Stab durchgekommen war. Machte das durch einen Melder, weil dorthin noch mal ein halber Kilometer zu laufen war. Erhielt die Erlaubnis, mich unverzüglich hinter die Wolga zurückzuziehen, die Männer sollte ich der Obhut von Oberleutnant Pawlow übergeben. Die Division hatte dann Urlaub, vom 25. an, und ich als Verwundeter fuhr am 23. ins Lazarett nach Saratow. In der ersten Nacht kämpfte ich die ganze Zeit in einer Schlacht.
Während des Rückzugs ging ein Teil der Rotarmisten bis zur Brust im Wasser. Ich ging auch ins Wasser, aber mein Bein war verwundet. Dort war Wald. Man deckte sich mit Zweigen, kroch daher, ich holte alle raus. Wir verloren dort 35 Mann.
Panytschkin war während aller Kämpfe die ganze Zeit in meiner Nähe. Er war ein mutiger Kommandeur. Wenn man ihm auftrug, Leute zu nehmen und zur Verteidigung aufzustellen, erfüllte er das im vorgegebenen Zeitraum, kam und erstattete Meldung. Er war außerordentlich mutig. Er fiel in diesem Kampf, ist vorgeschlagen für eine Auszeichnung. Guljutkin ist auch für eine Auszeichnung vorgeschlagen.
Während der Kampfhandlungen um Stalingrad wurden von unserem Regiment etwa 3000 Mann getötet, etwa 60 Panzer, drei Flugzeuge, [?] gepanzerte Fahrzeuge und rund 150 Automobile zerstört. Gefangene hatten wir keine, weil unsere Rotarmisten und Kommandeure wie Fallschirmjäger ausgebildet waren. Erstens können die keine Gefangenen machen, weil sie im Hinterland des Gegners operieren, sie müssen die Leute liquidieren. So wurden unsere Männer ausgebildet. Deshalb machten unsere Rotarmisten und Kommandeure keine Gefangenen, sie liquidierten. Man fragte nach den Gefangenen. Hauptmann Telzow sagte zum Beispiel: »Wir haben 18 Gefangene.« Ich gab das an den Divisionskommandeur weiter. Der sagte: »Bringt sie her.« Ich fragte Telzow, wo die Gefangenen seien. Er stand da, grinste, sagte:
»Das haben wir falsch gemeldet, die sind alle erschossen worden.«
Es stellte sich heraus, dass Telzow selbst die Anweisung gegeben hatte, sie zu erschießen. In der ganzen Zeit haben wir acht Gefangene gemacht, darunter zwei Offiziere, einen Piloten und einen Rumänen. Rotarmisten machen keine Gefangenen. Divisionskommandeur Dubjanski schalt mich:
»Warum machen sie bei dir keine Gefangenen?«
Jeder redet sich raus: »Der wollte fliehen, und wir haben geschossen.«
Quelle: NA IRI RAN, f. 2, razd. III, op. 5, d. 38, l. 29–32.
Aus dem Russischen von Christiane Körner
Der Geschichtsdozent: Hauptmann Nikolai Axjonow
Hauptmann Nikolai Axjonow und der Scharfschütze Wassili Saizew, die Gesprächspartner in den beiden folgenden Interviews, gehörten beide der »sibirischen« 284. Schützendivision an, die für ihren Einsatz in der Schlacht von Stalingrad mit dem Gardetitel ausgezeichnet wurde und seitdem als 79. Rotbanner-Gardedivision firmierte. Die Division war im Dezember 1941 aus Soldaten der Wehrkreise Tomsk, Nowosibirsk und Kemerowo gebildet worden. [622] Nach verlustreichen Einsätzen in der östlichen Ukraine und bei Woronesch wurde sie Anfang August 1942 in den Ural zurückgezogen und mit örtlichen Rekruten sowie mehreren tausend Matrosen aus der Pazifikflotte aufgefrischt. Mitten im Training erhielt
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