Die standhafte Witwe
war erstaunt, wie exakt jetzt Glynis die richtige Fragen traf. »Also hast du von dieser Krankheit schon gehört?«
»Ja, das habe ich allerdings«, antwortete Glynis.
»Wird sie sterben?«
»Nay, M’lady, sie wird nicht sterben.«
»Was kann sie denn tun?«
Johanna war nun den Tränen nah, und Glynis beeilte sich, sie zu beruhigen. Sie lächelte breit, als sie der jungen Frau antwortete: »Sie sollte ihrem Mann sagen, daß sie sein Kind bekommt.«
KAPITEL 15
Es war ein Segen, daß Glynis so eine stämmige, kräftige Frau war. Zudem war sie auch noch flink, wie sich herausstellte. So konnte sie ihre Herrin gerade noch auffangen, bevor sie mit dem Kopf gegen den Stein schlug.
Die frohe Neuigkeit hatte Lady Johanna in tiefe Ohnmacht versetzt. Erst ein paar Minuten später wachte sie in Glynis Bett auf. Die ersten Worte, die sie sprach, schrie sie fast.
»Ich bin unfruchtbar!«
Glynis tätschelte ihre Hand. »Bei dem ersten Mann wart Ihr es, bei unserem Clansherrn jedoch nicht. Ihr weist alle Symptome auf, M’lady. Ihr seid ganz sicher schwanger.«
Johanna schüttelte den Kopf. Sie konnte die Tatsache einfach nicht begreifen. »Frauen sind unfruchtbar, Männer nicht.«
Glynis schnaubte. »Das sagen Männer«, brummelte sie. »Ihr und ich hatten ein paar Schwierigkeiten miteinander, aber ich denke doch, daß wir sie bereinigt haben. Ich möchte Euch als eine Freundin betrachten, besonders immer dann, wenn Ihr unser schönes Maclaurin-Plaid tragt«, fügte sie mit einem Grinsen hinzu.
»Ich möchte dich gerne zur Freundin haben, Glynis«, antwortete Johanna und fragte sich dabei, was in Gottes Namen Glynis mit diesen Worten einleiten wollte.
Glynis ließ sie nicht lange im unklaren. »Freundinnen vertrauen einander«, sagte sie. »Und daher möchte ich Euch fragen, ob Euer erster Mann jemals eine andere Frau mit ins Bett genommen hat. Ich will Euch nicht beschämen, M’lady, ich will nur die Wahrheit herausfinden.«
Johanna setzte sich auf. »Ja, er hat sich andere Frauen genommen«, gab sie zu. »Und nicht gerade wenige. Es war fast so, als wollte er so viele haben, wie er kriegen konnte. Er prahlte gerne damit.« Als sie Glynis mitleidigen Blick bemerkte, setzte sie hastig hinzu: »Es kümmerte mich allerdings nicht. Ich mochte meinen Mann nicht. Er war gemein.«
»Was ich aber eigentlich fragen wollte, M’lady, war, ob Ihr von irgendwelchen illegitimen Kinder wißt, die aus seiner Untreue hervorgegangen sind.«
»Nein, es gab keine unehelichen Kinder«, antwortete Johanna. »Raulf hat mir erzählt, die Frauen würden eine Medizin trinken, die sie vor Schwangerschaft schützte. Übrigens glaubte er, ich würde auch davon trinken, und wurde jeden Monat entsetzlich wütend, weil er meinte, ich würde ihn absichtlich um einen Erben betrügen.«
»Es gibt solche Mixturen«, antwortete Glynis. »Aber Ihr seid jetzt ziemlich sicher schwanger, M’lady, also könnt Ihr schlecht unfruchtbar sein. Ich halte meinen Mund, denn es ist Eure Sache, Eurem Mann die freudige Nachricht zur richtigen Zeit mitzuteilen. Unser Clansherr wird sich bestimmt sehr freuen.«
Johanna verließ ein paar Minuten später die Hütte. Glynis begleitete sie bis zur Mauer. Plötzlich drehte sich Johanna noch einmal um.
»Mein Mann will mir nicht erlauben, auf den Feldern zu arbeiten«, sagte sie.
»Natürlich nicht«, gab Glynis zurück. »Ihr seid unsere Herrin. Ihr sollt keine gewöhnliche Arbeit verrichten.«
»Ich kann nähen«, sagte Johanna. Dann setzte sie mit einem bekräftigenden Nicken hinzu: »Jeden Abend sitze ich am Feuer und arbeite entweder an meinem Teppich oder sticke. Ich kann zum Beispiel Blumen auf … Stoffe sticken.«
»Was wollt Ihr mir sagen, M’lady? Spuckt es doch einfach aus.«
»Ich habe gesehen, daß du safranfarbene Blusen unter deinem Plaid trägst. Na ja, und ich habe mich gefragt, ob du vielleicht eine Blumenstickerei den Kragen entlang haben möchtest.«
Glynis riß die Augen auf. »Aber wieso würdet Ihr …«
»Du schuftest den ganzen Tag auf den Feldern, Glynis, und ich möchte etwas tun, um dir meinen Dank zu zeigen. Wenn du mir eine der Blusen heraufbringst, kann ich schon heute abend damit anfangen.«
Johanna war zu verlegen, um eine Antwort abzuwarten. Plötzlich fühlte sie sich so schüchtern und unsicher, daß sie hastig winkte und den Pfad zum Vorplatz hinaufeilte.
Erst als sie den Hügel erreichte, verlangsamte sie ihren Schritt. Dann traf sie wieder die volle Bedeutung ihres
Weitere Kostenlose Bücher