Die standhafte Witwe
die fast so perfekt sind.«
»Du kannst dich so glücklich schätzen, Johanna.«
»Warum?«
»Du liebst deinen Mann.«
Johanna reagierte eine volle Minute gar nicht. Dann lehnte sie sich zurück und ließ alle Zweifel und nagenden Gedanken fahren.
»Ja, ich liebe ihn.«
Das Erstaunen in ihrer Stimme brachte Clare zum Lächeln. »Hast du es gerade erst bemerkt?«
Johanna schüttelte den Kopf. »Ich liebe ihn«, sagte sie noch einmal, »aber ich bemerke erst jetzt, daß ich ihn schon lange liebe. Ist es nicht seltsam, daß ich mir selbst gegenüber meine Gefühle nicht eingestehen konnte? Ich habe albernerweise versucht, mich auf diese Art selbst zu schützen.« Sie nickte zur Bekräftigung ihrer Erkenntnis. »Niemand möchte gerne so verletzlich sein. Herr im Himmel, ich liebe ihn von ganzem Herzen.«
Der Klang ihres Lachens erfüllte die Kammer. Und es hörte sich so glücklich an, daß Clare einfach einstimmen mußte.
»Ich nehme an, du hast es ihm noch nie gesagt«, vermutete Clare.
»Nein«, gab Johanna zu.
»Was sagst du denn, wenn er dir seine Liebe gesteht?«
»Oh, Gabriel hat noch nie gesagt, daß er mich liebt«, erklärte sie. »Er hat es nicht erkannt, weißt du? Jedenfalls noch nicht. Wahrscheinlich wird er es irgendwann begreifen, aber sagen garantiert nicht.«
Sie hielt inne und lachte wieder. »Mein Mann ist so ganz anders als die englischen Barone, und ich kann Gott dafür nur danken. Die Männer, die ich von dort kenne, würden den Ladies, die sie ach so schätzen, süße Balladen vorträllern. Ich kannte welche, die sich von anderen schöne Liebesreime haben dichten lassen, die sie dann rezitierten. Hübsche kleine Reden mit blumigen Worten. Das meiste davon ist natürlich absoluter Unsinn und bestimmt nicht ehrlich, aber die Barone halten sich immer für enorm ritterlich. Sie legen viel Wert auf die Kunst der höfischen Liebe.«
Clare war neugierig geworden und stellte Johanna noch mehr Fragen über die Männer in England. Eine gute Stunde unterhielten die beiden sich angeregt, bis Johanna schließlich darauf bestand, daß Clare sich etwas ausruhte.
»Nun, da dein Vater dich gesehen hat, kannst du Glynis doch dein Haar schneiden lassen.«
Clare willigte ein. Johanna stand auf und wandte sich zum Gehen.
»Wirst du deinem Mann die Wahrheit über mich sagen?« fragte Clare.
»Ja«, sagte Johanna. »Vielleicht«, setzte sie hastig hinzu. »Wenn ich den richtigen Moment erwische.«
»Was wird er wohl tun?«
Johanna öffnete die Tür, bevor sie antwortete: »Er wird drohend knurren, nehme ich an, und mir dann helfen, eine Lösung zu finden.«
Hilda kam mit einem Tablett voller Essen den Flur entlang. »Clansherr MacKay ist fort«, sagte sie zu Clare. »Er will Euch hierlassen, bis ihr wieder kräftig genug seid, um mit nach Hause zu kommen, Kind. Lady Johanna, man wartet mit dem Essen auf Euch. Die Männer sind schon halb verhungert. Ihr solltet jetzt besser nach unten gehen.«
Hilda stellte das Tablett auf Clares Schoß. »Und Ihr, Kind, Ihr werdet jetzt jeden Krumen essen, und ich bleibe so lange hier stehen. Ihr müßt endlich wieder zu Kräften kommen.«
Johanna wandte sich um, hielt dann aber noch einmal inne. »Wenn einer von euch beiden aus der Halle Lärm und Aufruhr hört, dann macht euch keine Sorgen. Ich habe eine kleine Überraschung vor, und einige Soldaten könnten etwas ungehalten reagieren.«
Hilda und Clare wollten natürlich sofort wissen, worum es sich handelte. »Ihr werdet es noch früh genug herausfinden«, versprach Johanna.
Dann ging sie zu ihrer Kammer und zog das Plaid an, das sie unter dem Bett versteckt hatte. Alex stürmte in die Kammer, als sie gerade die Falten unter dem Gürtel zurechtlegte.
»Komm schnell rein, und mach die Tür zu«, befahl sie.
»Wieso denn?« fragte Alex.
Er schien gar keine Antwort zu wollen und bemerkte auch nicht, daß sie ein anderes Plaid trug. Der Junge stürmte zum Bett, hob die Matte an und zog ein langes Holzschwert hervor.
»Auggie zeigt mir, wie man kämpft«, verkündete er stolz.
»Hast du zu Abend gegessen?«
»Mit Auggie«, sagte Alex, während er zur Tür stürmte.
»Moment bitte.«
Er blieb schlitternd stehen. »Komm und gib mir einen Abschiedskuß«, sagte sie.
»Ich will nicht, daß du weggehst!« brüllte der Junge sofort.
Johanna beeilte sich, ihn zu beruhigen. »Ich gehe doch gar nicht weg«, versicherte sie ihm.
Alex war nicht überzeugt. Er ließ das Schwert fallen, rannte zu ihr und warf sich
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