Die standhafte Witwe
»Vielen Dank für die Ehre, mit Euch essen zu dürfen«, sagte sie.
Gabriel nickte, und Leila errötete. »Und Euch auch, M’lady.«
»Es ist dunkel«, verkündete Calum.
Weiter sagte er nichts, und Johanna verbiß sich ein Grinsen. »Vielleicht solltet Ihr Leila nach Hause begleiten«, schlug sie vor. »Da es ja dunkel ist.«
Der Soldat nickte. »Wie Ihr wünscht, M’lady.«
Calum bedeutete Leila, voranzugehen, und Johanna wandte sich wieder ihrem Mann zu. Dabei sah sie den überraschten Ausdruck auf Keiths Gesicht, der offenbar gerade erst bemerkt hatte, daß sich zwischen Leila und Calum eine Romanze anbahnte.
Plötzlich grinste er. Er stand auf, verbeugte sich vor seinem Clansherrn. Dann rief er: »Warte, Calum. Ich geh’ mit dir!«
Johanna hörte das Lachen in seiner Stimme, aber Calum fand das gar nicht komisch. »Du brauchst nicht …«
»Oh, aber es ist doch selbstverständlich«, antwortete Keith und holte ihn ein. »Es ist dunkel draußen.«
Leila ging weiter, und Calum versuchte, Keith beiseite zu schieben. Der ließ sich allerdings nicht schieben, und so verließen die beide kabbelnd und tänzelnd die Halle.
»Ob die beiden jemals miteinander auskommen werden?« fragte Johanna nachdenklich.
Vater MacKechnie fühlte sich vereinsamt und kam mit seinem Kelch, um sich auf Keiths Platz zu setzen.
»Das ist nur die gutmütige Zankerei zwischen zwei Anführern«, sagte der Priester. »Clansherr, Eure Rede von heute abend war eine gute Sache.«
»Ja, das war sie«, stimmte Johanna ein. »Aber trotzdem möchte ich wissen, warum du so lange damit gewartet hast. Warum konntest du ihnen das nicht schon vor ein oder zwei Monaten sagen? Du hättest mir eine Menge Ärger ersparen können, lieber Mann.«
Gabriel lehnte sich im Stuhl zurück. »Sie waren vorher noch nicht soweit, Johanna.«
»Aber heute abend schon«, warf der Priester nickend ein.
Sie war immer noch verwirrt. »Und was hat sie nun soweit gebracht?«
»Nicht was, Kind«, sagte der Priester, »sondern wer.«
Sie verstand nicht. Gabriel nickte. Ein warmes Funkeln war in seinen Augen erschienen. »Du hast es geschafft.«
»Ich? Wie habe ich es denn gemacht?«
»Sie bettelt nach Komplimenten«, erklärte Gabriel dem Priester.
»Sieht ganz so aus«, flachste der Priester zurück.
»Ich bettele um Aufklärung«, erwiderte Johanna.
»Es war dein stiller Widerstand«, erklärte Gabriel ihr schließlich.
Sie begriff immer noch nicht, der Priester offenbar schon, denn er nickte mehrmals zustimmend.
»Erklär mir doch bitte mal meinen stillen Widerstand.«
Gabriel lachte. »Du wirst mich niemals glauben machen, daß du dir tatsächlich nicht merken konntest, welches Plaid du wann tragen solltest«, sagte er. »Du hast es absichtlich vergessen, nicht wahr?«
»Gabriel, man kann nichts absichtlich vergessen«, widersprach sie.
»Ihr habt Euch einfach nicht darum gekümmert, es Euch zu merken«, sagte der Priester.
Sie seufzte. »Das stimmt. Ich fand es höchst albern, aber ich …«
»Stiller Widerstand«, wiederholte Gabriel. »Das war doch auch der Grund, warum du Lesen gelernt hast, nicht wahr?«
»Ja, aber das war etwas anderes«, erklärte sie.
»Nein, war es nicht.«
Johanna stieß einen Seufzer aus. Sie konnte ihren Mann nicht glauben lassen, daß sie alles absichtlich gemacht hatte, damit die Männer erkennen sollten, wie albern ihr Beharren auf die eigenen Farben war. Es wäre nicht sehr ehrenvoll, Lob für etwas anzunehmen, das sie nicht getan hatte.
»So klug bin ich nicht«, bemerkte sie.
»Doch«, sagte ihr Mann. »Du hast MacKay überredet, seine Tochter noch ein paar Wochen hierzulassen.«
»Clare kann noch keine Reise unternehmen.«
»Und du hast mich davon abgehalten, ihrem Vater zu sagen, daß keiner meiner Männer seine Tochter angefaßt hat. Ich habe geschwiegen, weil ich wußte, daß du etwas vorhast.« Dann fügte er hinzu: »Aber wenn MacKay zurückkommt, werde ich ihm die Wahrheit sagen müssen.«
»Und sie auch«, sagte Johanna. »Dann ist sie auch kräftig genug.« Und hoffentlich verheiratet, setzte Johanna in Gedanken hinzu. Wenn es ihr gelang, den passenden Mann zu finden.
Gabriel konnte ihr dabei helfen. »Gabriel? Es ehrt dich ja wirklich, daß du soviel Vertrauen in deine Männer hast. Sicher zu wissen, daß keiner von ihnen jemals Clare angefaßt hätte …«
»Wer hat dir denn das in den Kopf gesetzt?«
»Na, du«, antwortete sie etwas verwirrt.
»Also, Johanna, du kannst doch nicht im
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