Die standhafte Witwe
wohlerzogene Gastgeberin zu spielen. Vielleicht konnte sie den Zorn des alten Mannes besänftigen. »Ihr müßt nach dem langen Ritt doch auch hungrig sein«, fügte sie hinzu, als sie die Stufen hinunterstieg.
»Ich habe keinen Hunger, und ich kann mir nicht vorstellen, warum ich mich aufwärmen soll. Es ist so warm wie immer heute.«
»Vater, bitte komm herein.«
Clansherr MacKay schüttelte den Kopf. »Ich werde mich keinen Schritt weiterbewegen, bevor ich nicht den Namen des Mannes weiß, der dich entehrt hat, Clare. Ich will den Namen meines Schwiegersohnes hören, und zwar jetzt. Welcher MacBain hat dir diese Schande angetan, Mädchen?«
»Es war kein MacBain.«
Clares Stimme zitterte, als sie ihrem Vater die Antwort gab. Johanna versuchte sie zum Schweigen zu bringen, bevor sie zuviel sagte, aber Clare schüttelte den Kopf.
»Er muß es erfahren«, flüsterte sie.
»Was hast du gerade gesagt? Es war kein MacBain?« fragte ihr Vater scharf.
»Vater, bitte hör mich an«, flehte Clare. »Ich muß dir erklären, was passiert ist.«
»Alles, was ich hören will, ist der Name des Mannes, den du heiraten wirst.«
Nicholas hatte die ganze Zeit noch kein Wort gesagt. Er schien vollkommen unbeteiligt. Doch als Clare versuchte, an ihm vorbei zu ihrem Vater zu gehen, packte er ihren Arm und hielt sie fest.
»Nicholas?« flüsterte Johanna.
»Teufel«, murmelte er.
Clare war vollkommen verwirrt von Nicholas’ Verhalten. »Bitte laßt mich los«, sagte sie. »Das betrifft Euch doch nicht.«
»Oh, aber ganz bestimmt«, gab er zurück.
Sie schüttelte den Kopf, er nickte. »Ich bin auch für Euch verantwortlich, Clare MacKay, das heißt, Ihr habt meinen Befehlen zu folgen. Bisher habe ich Euch keine Erlaubnis gegeben, irgendwohin zu gehen. Stellt Euch hinter mich und bleibt da.« Clare war viel zu erstaunt, um mit ihm zu streiten, und drehte sich hilfesuchend zu seiner Schwester um. Johanna zuckte die Schultern. Sie war genauso verwirrt durch Nicholas’ Gebaren.
»Nun macht schon!«
Clare gehorchte, bevor sie Zeit hatte, darüber nachzudenken. Sie stellte sich hinter seinem Rücken auf die Zehenspitzen, um ihm trotzig zuzuflüstern: »Ich muß auf Euch überhaupt nicht hören.«
Nicholas machte sich nicht die Mühe, seine Stimme zu senken. »Aber bald!«
Clare begriff immer noch nicht, was er ihr damit sagen wollte, Johanna dagegen schon. Sie wollte zu ihrem Bruder hinübergehen, aber Keith erschien aus dem Nichts und stellte sich ihr in den Weg. Offenbar wollte er sie nicht in MacKays Nähe lassen.
Sie versuchte, den Soldaten zu ignorieren. »Nicholas? Bist du sicher, daß du das tun willst?«
Ihr Bruder gab keine Antwort. Clansherr MacKay ging unbeirrt vorwärts und ließ keinen Zweifel daran, daß er sich seine Tochter zurückholen wollte.
»MacBain hat mir eine Hochzeit versprochen«, verkündete er. »Er ist wohl kaum der Mann, der sein Wort nicht hält.«
»Nein, das ist richtig«, stimmte Nicholas zu. »Es wird eine Hochzeit geben.«
Der Clansherr schien sofort besänftigt. Er grunzte zufrieden und nickte kurz.
»Papa, es gibt keinen …«
»Sei still, Kind«, befahl MacKay. »Und wer ist mein zukünftiger Schwiegersohn?«
»Ich.«
Clansherr MacKay fiel die Kinnlade herunter. Seine Augen schienen aus den Höhlen zu treten, und er schüttelte ungläubig den Kopf. Dann trat er einen Schritt zurück, um Distanz zu dem Engländer zu schaffen.
»Nein!« brüllte er.
Nicholas ließ dem Clansherrn keine Zeit, sich zurückzuziehen. »Doch!« sagte er nachdrücklich.
Clare packte Nicholas’ Tunika und versuchte, ihn zurückzuzerren. »Seid Ihr wahnsinnig?« fragte sie.
Johanna schob Keith beiseite und hastete zu den beiden. »Laß ihn los«, sagte sie zu Clare.
Clare versuchte zu protestieren, aber Johanna hielt sie auf, indem sie ihre Hand nahm und flüsternd befahl, abzuwarten und später zu streiten.
»Dann ist es ein Trick?« fragte Clare, die dachte, daß Nicholas damit vielleicht nur Zeit schinden wollte.
»Möglich«, log Johanna, die sehr gut wußte, daß ihr Bruder niemals etwas sagte, das er nicht auch meinte. Er würde Clare MacKay heiraten, und aus seiner Miene zu schließen, würde er sich von niemanden davon abhalten lassen, nicht einmal von einer sich sträubenden Braut.
»Ihr seid Engländer«, brüllte der Clansherr. »Das geht nicht!«
Nicholas schien sich kaum an der Wut des alten Mannes zu stören. Er lächelte sogar, als er sagte: »Ich verlange ja gar keine große
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