Die standhafte Witwe
verdammt nah dran«, bemerkte Nicholas.
Vater MacKechnie nickte. »Ihr Vater ist der einzige, der die Wahrheit noch nicht kennt. Er ist wild entschlossen, den Täter herauszufinden und den Hochzeitstag festzulegen.«
Plötzlich ergab die seltsame Unterhaltung vom Abend zuvor einen Sinn für Nicholas. »Ja, und MacBain dachte, ich sei der Verantwortliche.«
»Nun beschuldigt Euch niemand mehr, Sohn. Dabei hätte unser Clansherr es sicher für sehr passend gehalten.«
Nicholas schüttelte den Kopf. »Dieser verfl …« Er konnte sich gerade noch beherrschen, vor dem Priester zu fluchen. Statt dessen fuhr er fort: »Was wird wohl ihr Vater unternehmen, wenn er herausfindet, daß sie gelogen hat?«
»Keine Ahnung«, erwiderte der Priester. »Natürlich werde ich versuchen zu vermitteln, sollte er einen Wutanfall bekommen. Eigentlich habe ich ein wenig Angst um sie. Clansherr MacKay ist kein sanfter Mann. Er liebt seine Tochter, aber wenn er von der Lüge erfährt, könnte er sie mit dem ersten ungebundenen Clansmann verheiraten, der ihm über den Weg läuft. Sie hat keine leichte Zukunft vor sich.«
Nicholas dachte einige Minuten über die Dinge nach, die der Priester ihm erzählt hatte.
»Ich konnte Johanna nicht retten«, flüsterte er plötzlich, als wäre er in der Beichte. Der Priester stellte den Kelch ab und wandte sich verdutzt zu ihm. »Ihr könnt Euch nicht die Schuld dafür geben, was Johanna zugestoßen ist. Sie hat mir gesagt, sie hätte ihre Lage für sich behalten, weil sie sich schämte.«
»Ich hätte erkennen müssen, was geschah«, murmelte Nicholas. »Raulf versteckte sie immer, und ich hätte klug genug sein müssen, um seine Gründe zu erraten. Natürlich wollte er nicht, daß jemand die Flecken und Striemen sah. Lieber Himmel, wie gerne würde ich ihn umbringen.«
Der Priester beschloß, Nicholas’ Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. »Ihr solltet besser einen Entschluß fassen, was Ihr wegen Clansherr MacKay unternehmen wollt. Johanna will Clare nicht gehen lassen. Und ich warne Euch, Sohn. Ihr müßtet Euch nicht nur mit Clares Vater, sondern auch mit Eurer Schwester auseinandersetzen. Zudem wird bald der Bote des Königs auftauchen, der Johanna nach England zurückbefehlen wird.«
»John versicherte mir, er würde nur den Boten und vier Soldaten als Eskorte schicken«, antwortete Nicholas. »Es wird nur wenige Minuten dauern, ihnen Gabriels Antwort zu übermitteln und sie wieder nach Hause zu schicken.«
»Mein Clansherr glaubt, er könnte die Absicht des Königs ändern, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ich würde gerne wissen, wie er das zu schaffen gedenkt.«
Nicholas schüttelte den Kopf. »Er gab sich verdammt zuversichtlich, aber er wollte mir nicht verraten, wie er es anstellen wollte.«
»Und Ihr sitzt nun zwischen zwei Stühlen, nicht wahr? Da Ihr in den Highlands seid, könnt Ihr Eure Vasallen nicht zum Kampf zusammenrufen. Zudem könnte die Schlacht sich sehr schnell gegen Euren eigenen König richten.«
»Wir leben in einer schwierigen Zeit«, antwortete Nicholas. »Für einen Vasallen ist es undenkbar, sein Vertrauen und seinen Glauben an den höchsten Lehnsherrn zu verlieren. Aber die meisten Barone in England haben Johns Gebaren satt. Ständig wird von Rebellion gesprochen.«
»Das wundert mich nicht«, bemerkte der Priester. »Euer König hat mehr Feinde als Verbündete.«
»Allerdings«, stimmte Nicholas zu. »Nun hat er auch den Papst gegen sich. Ein Wandel liegt in der Luft, Vater, und wenn John sich nicht bald besinnt, wird er die Macht aus der Hand geben müssen, nur um König zu bleiben.«
»Ein König ohne Macht? Wie soll das gehen?«
»John wird gezwungen sein, seinen Baronen besondere Rechte zu übertragen«, erklärte Nicholas.
Der Priester hatte noch nie etwas Derartiges gehört. Doch in all den vielen Jahren seines Lebens hatte er auch noch nie einen so unfähigen Regenten wie John gesehen. Die Geschichten, die er inzwischen über John gehört hatte, konnten nicht alle Übertreibungen sein, und wenn nur ein paar davon wahr waren, dann hatte Englands Herrscher eine Menge zu erklären, wenn er vor seinem Schöpfer stehen würde.
»Habt Ihr Vertrauen in Euren König?«
»Ich werde ihm so lange dienen, bis er den Bund löst. Ich bin sein Vasall.«
»Aber vertraut Ihr ihm?«
Nicholas sagte kein Wort. Er schob seinen Stuhl zurück, wünschte Vater MacKechnie gute Nacht und ging.
Sein Schweigen war Antwort genug.
KAPITEL 20
Am nächsten Tag brach
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