Die standhafte Witwe
vor dem Baron gehabt, um es ihm zu erzählen.
Gabriel hielt die Pergamentrolle aus ihrer Reichweite. Sein Gesicht wurde noch eine Spur düsterer, als er sie fragte: »Kennst du einen gewissen Baron Randolph Goode?«
Johanna erstarrte mitten in der Bewegung. Innerhalb eines Herzschlags wich ihr alle Farbe aus dem Gesicht. Sie glaubte, in die Knie gehen zu müssen und atmete tief ein, um ihre Beherrschung zurückzuerlangen.
»Johanna?« hakte er nach, als sie nicht sofort antwortete.
»Ich kenne ihn.«
»Diese Nachricht kommt von Goode«, sagte Gabriel. »Gillevrey läßt ihn nicht über seine Grenzen, bis ich nicht die Erlaubnis gegeben habe, daß er herkommen darf. Wer ist dieser Mann, und was will er?«
Johanna konnte ihre Erregung kaum verbergen. Mehr als alles andere wünschte sie sich, aufzuspringen und wegzulaufen, aber sie widerstand dem Drang nach feiger Flucht.
»Ich will nicht mit ihm sprechen.«
Gabriel lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er konnte ihre Angst sehen und spüren. Ihre seltsame Reaktion verärgerte ihn etwas. Begriff sie denn nicht, daß sie hier sicher war? Verdammt, er würde bestimmt nicht zulassen, daß ihr etwas geschah.
Gabriel stieß einen Seufzer aus. Nein, offensichtlich begriff sie nicht. Erst mit der Zeit würde sie verstehen, daß er und seine Männer sie gegen alles und jeden beschützen würden. Sie würde lernen, ihm zu vertrauen, und dann konnten ihr Nachrichten aus England keine Angst mehr einjagen.
Gabriel wußte, wie arrogant er dachte, aber es kümmerte ihn nicht. In diesem Augenblick wollte er nur seine Frau beruhigen. Er mochte nicht, wenn sie so verschreckt war, aber natürlich hatte er noch einen anderen Grund. Er war neugierig, was es mit jenem Baron auf sich hatte.
»Hat dieser Mann dich in irgendeiner Hinsicht angegriffen?«
»Nein.«
»Wer ist er, Johanna?«
»Ich werde nicht mit ihm sprechen«, wiederholte sie. Ihre Stimme zitterte.
»Ich will aber wissen …«
Er unterbrach sich, als sie den Kopf schüttelte. Er streckte den Arm aus und hielt ihr Kinn sanft fest, um sie daran zu hindern, alles von vornherein zu verneinen. \ »Hör mir zu«, befahl er. »Du wirst ihn weder sehen noch mit ihm sprechen müssen.«
Seine Stimme klang tief und dringlich.
Johanna sah ihn mißtrauisch und unsicher an. »Meinst du das wirklich so? Du erlaubst ihm nicht, herzukommen?«
»Ich meine es so.«
Sie entspannte sich sichtlich. »Danke.«
Gabriel ließ sie los und lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. »Und jetzt beantworte mir meine Frage«, befahl er erneut. »Wer, zum Donnerwetter, ist Baron Goode?«
Inzwischen sprach keiner der Männer in der Halle mehr ein Wort. Alle starrten zu ihr und lauschten. Es war nicht zu übersehen, daß ihre Herrin Angst hatte, und alle waren neugierig, aus welchem Grund.
»Baron Goode ist ein mächtiger Mann in England«, flüsterte sie. »Manche behaupten, er ist so mächtig wie König John selbst.«
Gabriel wartete darauf, daß sie fortfuhr. Eine lange Zeit verstrich, bevor er erkannte, daß sie nichts mehr sagen wollte.
»Ist er ein Favorit des Königs?« fragte er.
»Nein«, gab Johanna zurück. »Er haßt John. Es gibt viele Barone, die der gleichen Meinung über den König sind, und sie haben sich zusammengetan. Man sagt, Goode sei ihr Anführer.«
»Du sprichst von einem Aufstand, Johanna.«
Sie schüttelte den Kopf und senkte ihren Blick. »Es ist eine stille Rebellion, M’lord. England ist ein einziges Chaos, und es gibt viele Barone, die Arthur für den besseren König halten. Er ist Johns Neffe. Sein Vater, Geoffrey, war Johns älterer Bruder. Er starb ein paar Monate vor der Geburt seines Sohnes.«
Calum hatte versucht, ihrer Erklärung zu folgen, runzelte aber verwirrt die Stirn. »M’lady, wollt Ihr damit sagen, daß Geoffrey hätte König werden sollen, als Richard starb?«
»Geoffrey war älter als John«, wiederholte sie. »Er wäre der nächste in der Folge gewesen, denn Richard hatte keine Söhne. Nun war Geoffrey bereits tot, doch einige meinen, sein Sohn hätte der rechtmäßige Erbe sein sollen. Sie scharten sich regelrecht um Arthur.«
»Also kämpfen die Barone um die Krone?« folgerte Gabriel.
Johanna nickte. »Die Barone opponieren gegen den König, wann immer sie eine Chance bekommen. John hat sich in den letzten Jahren viele Feinde gemacht. Nicholas glaubt, daß es eines Tages einen wirklichen Aufstand geben wird. Goode und seine Anhänger suchen nur noch einen triftigen Grund, das
Weitere Kostenlose Bücher