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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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blechernen. Der unaufh altsame Aufstieg des gelernten Müllers krönt die Leitung der 1600 Kräfte starken Hauptabteilung VIII in Berlin, Spezialität »Beobachtung, Ermittlung, Festnahmen«. 1947 trat er der SED bei, Mitgliedsbuch 0094301, beginnt bei der Vopo. Sachbearbeiter in Hagenow, Jurist im Fernstudium. Mit Honeckers allerhöchster Widmung zum Scharnhorst-Orden erfüllt sich die Wunschbiographie des Arbeitersohns aus Groß Beuchow. Ein Leben lang Wühlarbeit, Glühen für die Sache, Rapporte, Pläne auf Leben und Tod, Funktionieren in kaltem Hass. Mit der Urkunde für »ehrenvolle Pflichterfüllung« schickt man ihn in Pension. Als er geht, hört und sieht er schlecht, was wie ein Symbol wirkt. Seit er mit der Wende die Immunität verlor, will der Vater dreier Kinder (Tochter und Schwiegersohn arbeiteten im MfS) nicht mehr der Mann sein, der er im schmutzigen Gewerbe gewesen war, scharfk antig, skrupellos. Der Anklage, Auftraggeber von zwei missglückten Attentaten gewesen zu sein, entzog er sich im März 96 mit Attest: »Verhandlungsunfähig«.
    Aus der ehrenwerten Gesellschaft der Schreibtischtäter lebt in Berlin das ewige Staatsratsmitglied Klaus Sorgenicht. Wie Schubert ein freier Mann. Die Vorgabe für das Politbüro zum Verfahren Murau stammt von »Klausi«. Am 13. Januar 56 liegen seine drei Blatt der ZK-Tagung im Zentralhaus der Einheit vor »Persönliche Verschlusssache«. Anwesend unter anderem Grotewohl, Matern, Stoph, Ulbricht. Auf der Tagesordnung zunächst der erste 1000-Tonnen-Dampfer der DDR: »Als Name wird vorgeschlagen ›Frieden‹.« Punkt 6 Kuraufenthalt in der Sowjetunionfür den Stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates Otto Nuschke. Danach unter 7a sein Urteilsvorschlag: »Gegen Murau soll die Todesstrafe beantragt werden.« Ulbricht zeichnet das Protokoll ab. Damit war in stupender Beiläufigkeit fünf Wochen
vor
dem Cottbuser Prozess der Sarg bestellt. Sorgenicht in der Wohnung Pablo-Neruda-Straße zu befragen scheitert. Er ist nicht daheim. Bei Gericht kann er nicht gewesen sein. Ebenfalls: »Verhandlungsunfähig«.
    Das Ende der Geschichte: H. und T., heute Rentner, verbüßten die Strafen in Berlin-Tegel. Gegen die Schuberts laufen derzeit die Ermittlungen wegen Muraus Verschleppung, gegen weitere Beschuldigte wegen des Verdachts der Beihilfe zum Totschlag. »Blut-Lucie« Ehrenwall muss nicht mehr vor Gericht, sie starb am 10. März 1995. Ihre Schöffen Elisabeth Neumann und Otto Buder sollen noch leben.
    An Muraus sinnlosen Tod erinnert ein Grabmal beim Krematorium Tolkewitz. Am Bau, in dem der Henker den Erbarmungswürdigen köpfte, steht damals wie heute der Sinnspruch »Nichts ist so fein gesponnen, dass es nicht käm zur Sonnen«.

Es lebe die Völkerfreundschaft!
    Die Geschichte des DDR-Ozeanriesen
     
     
    Sie schwimmt und schwimmt und schwimmt. Vor fast fünfzig Jahren wurde sie auf den Namen
Stockholm
getauft, heute heißt sie
Italia Prima.
Und zwischendurch, als
Völkerfreundschaft,
war sie der ganze Stolz der DDR. Geschichten aus dem Logbuch eines Ozeanriesen, der einmal ein Politikum war.
     
    Das Wohnzimmer von Kapitän Gerd Peters sieht aus, wie Landratten sich ein Kapitänswohnzimmer vorstellen: Umgeben von gemalten und gebastelten Dampfern, sitzt der 62-Jährige im Ohrensessel. Mit Blick auf schöne Windjammer in der Buddel stopft er sich die Pfeife.
    Fehlt nur die Uniform, die dem früheren Chef des DDR-Flaggschiffs
Völkerfreundschaft
auf den Leib geschnitten war. Ein blauer Zweireiher mit vier goldenen, den Rang bezeichnenden Ärmeltressen, diverse Orden vor der Brust: zweifacher »Aktivist« der sozialistischen Arbeit, Hochseeleistungsabzeichen mit dem Bild des segelnden Ministerpräsidenten Pieck. Auf einem Foto trägt Peters die Dienstmütze schräg und keck, die Hände liegen pastoral übereinander.
    Bis die DDR unterging, zählte der Rostocker zu den blendenden Erscheinungen des Landes. Titel: »A 6, Kapitän in der Großen Fahrt«, Spitzengehalt 1700 Mark. Durch Funk und Fernsehen bekannt, Mitwirkender bei zweihundert einschlägigen Sendungen. Keiner kannte die volkseigene Flotte besser als der gelernte Stahlschiffbauer, nach der Fahrenszeit bis 1989 Pressesprecher des »Kombinates Seeverkehr und Hafenwirtschaft, Deutfracht/SeereedereiRostock« mit 171 Kähnen. Nicht einer dieser Pötte, ob sie
Karl Marx
oder
Fliegerkosmonaut Sigmund Jähn
hießen, kam der 160 Meter langen
Völkerfreundschaft
gleich. Ein Ozeanriese, die Inkarnation von Fortschritt

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