Die Stasi Lebt
Februar 89 stammt die Konzeption für den »offensiven Einsatz« von Peters in der BRD, verantwortlich: »Hauptmann Buchmann, bestätigt Oberst Amthor«, Vize der Stasi-Bezirksverwaltung.
Bei der propagandistischen Verwertung des Nobelfrachters rückten nie die besonders fernwehkranken Bonzen ins Bild. Pio niere aus hartem Holz dominierten die offiziellen Erzählungen von glücklichen Menschen und besseren Verhältnissen, nachzulesen im verschossenen blauen FDGB-Jubelband. Entbehrungsreiches Leben, Fleiß und Überzeugung passten in den Rahmen foxtönender Legenden. Das Rührstück vom braven Prolo Walter Koop ertönte, im ollen Deutschland Matrose und Kohletrimmer für karge Heuer, »ausgebeutet und entrechtet zum Dienst an Millionären und Admiralen«. Dann bediente der Kommunist im Goldberger VEB Rohrleitungsbau den Bagger UT 54. Überwältigt sah der »geachtete und freie Bürger« Alexandria wieder: nun Passagier mit Schlips und Kragen, im Salon speisend.
Die sorgfältig komponierten Schnappschüsse von der
Völkerfreundschaft
zeigten ein Volk von Helden, nur leider in der falschen Aufführung. Am Schiffsglobus stehend, Erich Urban, Maschinenformer aus dem VEB Erntebergungsmaschinen »Fortschritt« und Albert Thomas von der Dorfk onsumgenossenschaft Kirschau. In fröhlicher Runde fachsimpelnd, Emma Bolte, Gebläsewärterin des Synthesewerks Schwarzheide mit Anna Kaiser, HO-Verkäuferin aus Luckau und Weichenwärterin Maria Plath, Dresden-Friedrichstadt. Ernst Burmeister vom Hauptpostamt Güstrow klönend mit Erwin Günther, Schmied aus Moisall, zweifacher Aktivist. Dann der werte Kollege Postler Siegfried Zimmermann, für hervorragende Leistung im sozialistischen Wettbewerb mit der Leningrad-Tour bedacht, und 550 ergriffene Gewinner, die das große Los bei der Sonderziehung »Jubiläums-Knüller« des VEB Vereinigte Wettspielbetriebe zogen. Sie alle sahen die Alltagstristesse mit Reisen belohnt. Keine Verherrlichung des Schiffs ohne Appell, keinHinweis ohne berechnete Güte: »Gleichwertige Reisen kosten im Bonner Staat fast fünftausend Mark!« Ergo: Die tiefergehenden politischen Wirkungen seien »dem Klassenfeind ein Dorn im Auge«.
Weder ozeanische Visionen noch dichterisches Sehnen nach des Meeres und der Liebe Wellen leitete die SED-Steuermänner. Sie trieb der Wunsch, über dieses monumentale Zeichen von DDRPräsenz die eigene Abkapselung zu überwinden. Effektvoll reisten die Schlachtenbummler zur Olympiade Rom 1960 mit dem Dampfer an. Die Teilnehmer der VIII. Weltfestspiele der Jugend 1962 in Helsinki ebenso. Walter Ulbricht schwamm 1965 in einer theatralischen Imponiergeste auf der über die Toppen geflaggten Staatsyacht nach Ägypten zu Nasser. Die Bordkapelle intonierte versehentlich Ex-König Faruks Hymne. Davon abgesehen, ein starker Auftritt. Die ausgebuchte Tour »Karneval in Kuba« fiel dafür ins Wasser.
Beweglichkeit, Großzügigkeit, Weite sollte das Traumschiff, Signalruf »DAYP«, im Kalten Krieg assoziieren. Derweil schottete sich das Land in paradoxer Parallelaktion mit Todesstreifen ab. Zum Mauerbau 1961 flüchteten sofort zwei Passagiere in Athen. Kapitän Peters reagiert heute durch unsichere Abschweifungen auf dieses Thema. Mit harten Linien um den Mund erinnert er, dass ihm bei der Bosporus-Passage jedes Mal »vier bis fünf Passagiere« vom Deck in die Freiheit sprangen. »Mann über Bord« – Ärzte, Ingenieure, Physiker, Chemiker, im Angesicht von Istanbul aufgefischt von Booten, aus denen der Ruf kam: »Los, springt!« Nicht anders in der Straße von Florida, bis Ziele in kapitalistischen Hoheitsgewässern gestrichen oder nur noch mit ausgesiebten FDGBlern, Betonköpfen, verdienten Künstlern, Veteranen angesteuert wurden. Honeckers Schwiegervater Gotthard Feist organisierte diese »ZK-Reisen«.
Während sich die Masse daheim wie im eigenen Land verbannt fühlte, spielten die Auserwählten auf dem Vergnügungsdampfer große Welt. Ohnehin stimuliert von dem unübertroffenen Gefühl, den Alltag hinter sich zu lassen, törnte Großzügigkeit die Kreuzfahrer mächtig an. Schon die Kombüse übertraf die gängige Phantasie. Noble Menükarten offerierten etwa am 28. August 1974 zum Empfang: Martini sweet, Geflügelsandwiches, Kraftbrühe »Choiseul«, Schweinesteak »au four« mit Gemüse und Pommes, abgerundet durch Erdbeeren und rumänischen Weißwein. Zum Abschied gab’s Cocktail »Manhattan«, Schildkrötensuppe mit Chesterstange, gespickte Rindslende »Gärtnerin«,
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