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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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Ansprechpartner von sechs Bundesregierungen. »Die heilige Mutter Teresa des Menschenhandels«, spöttelte Biermann. Vogel spielte den Briefkasten für Ost und West, sein Siemens-Telex, Nummer 11-3023, 113023 vobe dd, lief heiß. Von jedem Schreiben zog sich die Stasi heimlich eine Kopie. Dass man ihn abhörte, unterstellte er als gegeben. Die Bonner drückten ihm »Geheim!«-gestempelte Vorschlagslisten mit Eingesperrten in die Hand, jederName eine Tragödie für sich. Die Dossiers landeten bei der federführenden »Hauptabteilung Ermittlung im MfS«. Am Ende enervierenden Ringens setzte Stasi-Chef Mielke handschriftlich sein »zugestimmt« unter die Entfassungsbögen. »VG« bedeutete »Versagungsgründe«, abgelehnt. Vogel strich »erledigte Fälle« mit grüner Farbe aus.
    Das Amt machte ihn groß und reich, für SED-Verhältnisse unvorstellbar reich. Er rettete Gediegenheit und Sinn fürs Schöne ins Alpenland, in umfassendem Sinne seine Endstation, die Eheleute sicherten sich Gräber auf dem Kirchhof von St. Martin, mit Blick auf die Schlierseer Berge. Allein aus Bonn bezog der Mauerspringer damals 360000 D-Mark Jahreshonorar. Der Ausverkauf vom Schicksal geschlagener Menschen spülte 3,5 Milliarden D-Mark in die marode DDR. Insoweit war der Advokat kein Samariter, sondern wichtiger Devisenbringer. Barmherzig war sein Mandat, so es Entrechtete aus den Horrorgefängnissen Bautzen oder Hohenschönhausen erlöste. Das vergessen jene, die heute fleißig nach Verstrickungsmotiven suchen und ihm vorwerfen, sich im Unterholz des totalitären Regimes verlaufen zu haben. Die Staatssicherheit ist damit gemeint.
    Vogel war der rechte Mann zur rechten Zeit. Nur, wer hat ihn eigentlich erfunden? Der Freikauf war eine Idee des Westens, mutig forciert von Rainer Barzel, CDU. Welchen Anteil das MfS an Vogels Anwalts-Etablierung hatte, ist umstritten. In den Fünfzigern fungierte der »Geheime Informator« und »Geheime Mitarbeiter« zeitweise mit den Decknamen »Eva« und »Georg«. Die Spitzelnummer 4148153 ist in der Vita einer Vertrauensperson nicht ganz geheuer, für die das Bundesverdienstkreuz bereitlag. Vogel wäre nicht der Erste, der für sich in Anspruch nahm, Spielmacher gewesen zu sein, derweil Mielke mit ihm spielte.
    Es ist still bei ihm. So still, dass sein Hadern mit den Staatsanwälten heftiger wirkt, die nach 1990 gegen ihn u. a. den Vorwurf der »Erpressung von Ausreisewilligen« erhoben. Plötzlich hieß es, er habe Menschen geschadet, sein Lebenswerk drohte ins Gegenteil verkehrt zu werden. Das rührt an den Grund seiner Persönlichkeit, Vogel ist ein Gefühlsmensch, seine ganze Natur auf Harmonie angelegt. Mit nicht geringer Autoritätsfixierung hungerte er nach Anerkennung beider Seiten. Obwohl der SEDler bei aller Geschmeidigkeit im kaum auflösbaren Widerstreit der Emotionen nie Zweifel ließ, wem er angehörte und was ihm die Vorrangstellung bedeutete. Mit dem Emissär makelte eine gespaltene Persönlichkeit im gespaltenen Deutschland, Legenden, Missverständnisse inbegriffen. Für ihn galt der Zwiespalt, den Graham Greene (er könnte Vogels vieldeutige Rolle erfunden haben) einmal so beschrieb: »unter Kommunisten auf die Vorzüge des Kapitalismus, unter Kapitalisten dagegen auf die des Kommunismus« hinweisen zu müssen.
    Der Unterhändler fand sich im Mittelpunkt diverser Verfahren und kriminalisiert, kaum dass er Macht und Einfluss verlor. Ihm, der in Politikern wie Richard von Weizsäcker nobelste Fürsprecher hatte, setzte jahrelanges Prozessieren böse zu. Früher war seine Funktion eindeutig bestimmt als »Anwalt des Teufels« (sein Biograph Craig R. Whitney), nun fand er sich als verteufelter Anwalt wieder; undurchsichtiger Machenschaften bezichtigt. Vom Bundesgerichtshof schlussendlich rehabilitiert (und vom Erpressungs-Vorwurf freigesprochen), hinterließ monatelange Untersuchungshafteine dicht unter der Oberfläche liegende Gekränktheit – die verlorene Ehre des Wolfgang V. Nie hätte er geglaubt, sich auf Selbstverteidigung zurückgeworfen zu finden. Denn er war nicht nur eine Person der Zeitgeschichte, die sich stets den gängigen Kriterien entzog. Er stand darüber, fühltesich auch so. »Meine Wege waren nicht weiß, nicht schwarz, sondern grau.«
    Die Eigentumswohnung mit blauen Fensterläden wäre der richtige Platz, Unerschütterlichkeit zu demonstrieren, käme er nicht immer wieder auf seine Verfolger zurück. Ausgesucht schöne Möbel, Rokoko-Göttinnen, Meißner Porzellan mit

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