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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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Ihres Bestimmungsortes haben – Pech gehabt.
    Der Bombayer Taxifahrer ist eine Art indischer Houdini . Er kommt jederzeit aus dem vertracktesten und unauflösbarsten Stau heraus. In der Mehrzahl der Fälle ist er überhaupt der Urgrund und Verursacher des Verkehrschaos. Er hält sich immer streng an die Regeln; nur, dass er die allesamt selbst aufstellt. Er kann ohne Weiteres auf dem Taxistand oder auch mitten auf der Straße eine Viertel- oder gar eine halbe Stunde lang auf einen Fahrgast warten, aber sobald einer einsteigt, schaltet er auf Autopilot. Dann heißt es für ihn nur noch los, los, los. Dann duldet er keine rote Ampel, kein Verkehrsschild oder sonstige Behinderung mehr. In seinem Kopf spielt sich nur noch Formel Eins ab. Der Fahrgast kann ihm zehn Mal versichern, dass er es gar nicht eilig hat, nicht im Mindesten, dass er die Fahrt genießen, sie so weit wie möglich in die Länge ziehen möchte, weil er seine Freundin dabeihat oder vielleicht unter Bluthochdruck leidet. Was soll das heißen, Sie haben es nicht eilig? Warum sind Sie dann in sein Taxi eingestiegen? Seine Berufsehre steht auf dem Spiel. Hat er denn keine Eier, dass er irgendeinem anderen Auto, Zweirad oder Geländewagen die Vorfahrt lassen soll? Also halten Sie die Klappe und genießen Sie die Fahrt!
    Und dann düst er in halsbrecherischer Geschwindigkeit die ganze Länge der Stadt hinauf, auch wenn Sie vor Angst wegen seiner Fahrweise kollabieren. Oder er führt Sie direkt in die Verdammnis, indem er einen Hopser über die steinerne Brüstung des Western Highways macht und Sie und sich und das Taxi in den Mahim Creek befördert.

    Spätabends parkte Ravan das Taxi vor seinem Haus, da der Fahrer der zweiten Schicht frei hatte. Es war ein hektischer Tag gewesen. Und jedes Mal, wenn er an den Fahrgast dachte, stieg ihm Säure in die Kehle und verätzte ihm gleichzeitig die Magenschleimhaut. Am liebsten hätte er das Abendessen ausfallen lassen und wäre gleich ins Bett gegangen, aber er wusste, dass seine Mutter ihn, wenn nötig die ganze Nacht lang, wachgehalten und ihm von den großen Rishis und ayurvedischen Ärzten erzählt hätte, die vor zweitausend Jahren in Sanskrit auf Palmblättern geschrieben hatten, dass es verderblich sei, sich mit leerem Magen schlafen zu legen. In jeder anderen Nacht hätte er sie vielleicht nach den Titeln dieser alten Texte gefragt und ihr erklärt, dass er erst ihre Sanskritkenntnisse (die sich bei ihr wie bei ihm auf praktisch null beliefen) auf die Probe stellen wolle, ehe er sich ihrer Argumentation anschließe. Heute aber schluckte er, was sie gekocht hatte, und haute sich erst dann aufs Ohr.
    Am nächsten Morgen zog er sich an und ging hinunter, um das Taxi zu waschen und zu säubern. Es roch noch immer nach Desinfektionsmittel, aber zumindest war der säuerliche Gestank verflogen. Und da sah er es. Etwas war sorgfältig unter die vordere Sitzbank geschoben worden. Er stieg hinten ein, bückte sich und zog eine Ledertasche hervor, oder eher eine Art Lederbeutel. Wie konnte es sein, dass er und die Fahrgäste, die er gestern befördert hatte, ihn nicht entdeckten, außer es war der letzte Fahrgast, der ihn vergessen hatte? Er setzte sich und öffnete den Beutel. Darin befand sich ein mit einem weißen Papierstreifen umwickeltes Bündel druckfrischer Banknoten. Er las den Wert auf dem Schein und begriff, dass es Monopoly-Geld sein musste. Offenbar hatte sich das Spiel inzwischen weiterentwickelt. Zu seiner Zeit war der größte Schein fünfhundert wert gewesen. Heutzutage gingen die Kinder offenbar mit größeren Beträgen um. Das waren alles Tausend-Rupien-Scheine. In der Banderole waren hundert Stück davon, hinzu kamen weitere leicht beschmutzte fünfzig lose. Außerdem waren darin noch sieben dünne blanke Messingscheibchen.
    Er packte alles zurück in den Beutel, ging wieder hinauf in die Wohnung, öffnete den Blechschrank, den er sich mit seinen Eltern teilte, und schob den Beutel unter seine Kleidungsstücke.
    Während der nächsten Tage dachte er über den Fund nach, kam aber zu keinem Ergebnis. Warum sollte jemand hundertfünfzig Spielgeldscheine mit sich herumtragen? Oder waren sie wirklich echt? Konnte das sein? Es gab keine Banknoten mit einem höheren Wert als hundert. Zumindest hatte er noch nie welche gesehen. Außerdem gab es noch eine weitere, noch erheblich

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