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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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rätselhaftere Frage: Warum sollte jemand eine so unglaubliche Geldsumme in einem Taxi liegen lassen? Er hätte sich den Beutel doch mit Sicherheit ans Handgelenk gekettet. Wenn es sein eigenes Geld gewesen wäre, hätte Ravan es sich um den Bauch gebunden und ein dickes Hemd und vielleicht noch eine Jacke darüber angezogen. Ravan war ratlos. Er hätte nicht einmal sagen können, ob der Beutel absichtlich versteckt oder von einem der Fahrgäste versehentlich unter den Sitz befördert worden war. Welcher seiner gestrigen sechzehn Fahrgäste hatte das Ding zurückgelassen? Sein Bauchgefühl riet ihm zwar eindeutig, der Polizei zu misstrauen, aber der Gedanke, dass der Gesuchte, dieser Bashir Soundso, derjenige war, der das Geld zurückgelassen hatte, ging ihm nicht aus dem Kopf.

    Jeden Montagmorgen um halb sechs fuhr Ravan in die Ridge Road auf Malabar Hill, um Mr Pratik Shah zum Hauptbahnhof zu chauffieren. Pratik Shah war ein Diamantenhändler, der – einen Beutel Rohdiamanten in der Tasche – jeden Montag mit dem Flying Ranee zu seinem Betrieb in Surat fuhr und noch am selben Tag mit den in der vergangenen Woche geschliffenen Steinen wieder zurückkehrte; dann allerdings wurde er von seinem Privatchauffeur abgeholt. Ravan war von seiner Idee, Pratik Shah zu fragen, zwar nicht begeistert, aber ihm blieb kaum eine andere Wahl. Nicht allzu viele Leute aus seinem Bekanntenkreis dürften wissen, ob es so etwas wie Tausend-Rupien-Scheine gab. Er hatte sich rund siebentausendeinundfünfzig Möglichkeiten zurechtgelegt, die Frage zu formulieren, war aber mit keiner so recht glücklich. Schließlich kam er auf eine spontane, dafür aber umso dämlichere Version.
    â€žWas halten Sie von Tausend-Rupien-Scheinen?“
    â€žWas ich davon halte? Die werden demnächst aus dem Verkehr gezogen und sind dann nicht mal mehr das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. An deiner Stelle würde ich das Geld so schnell wie möglich ausgeben. Wenn die Regierung sich einbildet, mit einer leeren Geste wie der Entwertung von Tausend-Rupien-Scheinen alles Schwarzgeld an die Oberfläche spülen zu können, dann soll sie ruhig weiterträumen.“ Pratik Shah hielt inne, als sei ihm etwas Widersinniges aufgefallen. „Warum in aller Welt interessierst du dich für Tausend-Rupien-Scheine?“
    Ravan entschied sich für die Wahrheit, während eine Stimme in seinem Kopf schrie: Du Idiot, du Idiot, du hättest das Geld um ein Haar auf den Müll geworfen! Überhaupt könnten deine Eltern inzwischen genauso gescheit gewesen sein und den Beutel in den Mülleimer geleert haben! „Ich wusste nicht, ob es so große Geldscheine überhaupt gibt, deswegen habe ich gefragt.“ Ravan hielt es für klug, in der Richtung weiterzufragen, damit Mr Pratik nicht am Ende Argwohn schöpfte. „Gibt es auch Fünf- und Zehntausend-Rupien-Scheine?“
    â€žNein, nicht in Indien. Aber das ist eine interessante Idee. Ich habe einmal einen englischen Film gesehen, der hieß ,The Million Pound Note‘, und ich habe mich immer gefragt, ob die tatsächlich eine Banknote mit einem so hohen Nennwert haben.“
    Pratik Shah stieg in den Zug nach Surat, während Ravan heimfuhr und im Galopp die Treppe hinaufrannte, obwohl er eigentlich hätte unterwegs sein, Fahrgäste aufsammeln und den Umsatz des Besitzers der Taxiflotte maximieren sollen. Fehler, saublöder Fehler! Seine Mutter überfiel ihn gleich mit einer Breitseite von Fragen, da er normalerweise nie tagsüber nach Hause kam. Hat sich wieder jemand in deinem Taxi übergeben? Ist alles in Ordnung? Hast du Fieber bekommen? Durchfall? Muss ja passieren bei dem Fraß, den du auswärts isst! Ich hab dir schon mindestens hundertmal gesagt, du sollst dir etwas zu essen von zu Hause mitnehmen, weil du dir sonst Typhus holst von dem Dreck, den die auftischen. Vielleicht die Cholera. Aber du hörst einfach nicht auf deine Mutter! Das geht dir gegen den Strich, oder?“
    Nein, nein und noch mal nein zu allen vorausgegangenen Fragen und den hundert weiteren, die noch folgen würden.
    â€žIch wette, er hat sich so eine widerliche Geschlechtskrankheit eingefangen. Es ist allgemein bekannt, schreibt die ‚Bittambatmi‘, dass siebenundneunzig Prozent der Taxifahrer mindestens zwei Mal im Monat zu Prostituierten gehen. Dein Sohn ist bestimmt auch nicht anders.“
    Parvati-bai

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