Die Statisten - Roman
das heiÃen, âwoâ? Hinten auf dem Rücksitz, wo sonst?â
Der erste Polizist spähte in den Wagen. âVersuch uns zu verarschen, und du wanderst geradewegs in den Knast! Wo ist er?â
Ravan drehte sich um. Im Fond war niemand. âEr war da! Ich schwöre, an der Kreuzung Bhendi Bazaar saà er noch im Taxi!â
Der Polizist zeigte diesen skeptischen Erzähl-das-deiner-Oma-Blick, Ravan war es jedoch vollkommen egal, ob der Mann ihm glaubte oder nicht. Er stand unter Schock und war kurz davor zu implodieren. Zugegeben, die Mohammed Ali Road war eine der verkehrsreichsten und lautesten StraÃen der Innenstadt, und er war immer zerstreut und dachte an die eine oder andere Melodie, anstatt auf die StraÃe oder seine Fahrgäste zu achten. Dazu kam noch, dass der Fahrgast ihn mit seinen detaillierten Anweisungen völlig aus dem Konzept gebracht hatte. Und irgendwie war er nicht nur ausgestiegen, ohne dass Ravan etwas gemerkt hätte; er hatte gegen Regel Nummer eins im Taxifahrerhandbuch verstoÃen: Er hatte sich verdrückt, ohne zu bezahlen. Gratisfahrten kamen nicht häufig vor, aber die Schwindler hatten durchaus ein paar Tricks auf Lager: Der Fahrgast sprang mal eben kurz raus, um sich Zigaretten oder Halspastillen zu kaufen, und ward nicht mehr gesehen, oder ein besonders Gewiefter forderte den Fahrer auf, vor einem eleganten Hochhaus zu halten, schaute in seine Brieftasche und sagte: âHoppla, kein Geld dabei! Mit einem Scheck können Sie wahrscheinlich nichts anfangen. Ich fahr mal eben rauf zu meinem Apartment im vierzehnten Stock, und der Diener kommt sofort mit dem Geld runter. Warten Sie eben kurz!â Und dann konnte man die nächsten paar Stunden oder Wochen warten oder sich am Portier vorbeischleichen und zum vierzehnten Stock hinauffahren und an jeder Tür klopfen. Wenn man gescheit war, minimierte man seine Verluste und fuhr weiter, denn höchstwahrscheinlich wohnte der Typ ohnehin nicht mal in dem Haus. Man könnte vielleicht annehmen, Frauen wären vertrauenswürdiger; ganz im Gegenteil, sie waren noch geschickter, oder vielleicht waren die Taxifahrer auch nur blauäugiger im Umgang mit ihnen. Aber dieser letzte Fahrgast hatte nicht einmal die Höflichkeit besessen, ihm irgendeine lächerliche Ausrede aufzutischen. Er hatte sich einfach klammheimlich verdrückt.
âScheiÃe verdammt, wo ist der Mann?â, brüllte der erste Polizist. âWo hast du ihn abgesetzt?â
Ravan schaute sich noch immer nach seinem Phantom-Fahrgast um. Wie konnte er es wagen auszusteigen, ohne zu bezahlen! âSchnappen Sie ihn, Inspector, ich flehe Sie an, und zwingen Sie ihn, den doppelten Fahrpreis zu bezahlen! Oder besser, bringen Sie ihn einfach her zu mir, und ich werde ihm eine Lektion erteilen, die er nicht so leicht vergisst!â
âDer Erste, den wir uns schnappen, bist du.â Der zweite Polizist hatte die Fahrertür geöffnet und zerrte Ravan heraus.
âLass ihn in Ruhe. Dieser Idiot weià nichtsâ, sagte Chief Inspector Parab. âBashir Akhtar ist uns an einer der zwei letzten Ampeln entkommen. Wenn wir uns beeilen, könnten wir ihn noch schnappen.â
Und da fiel es Ravan wie Schuppen von den Augen, und er begriff, warum Gesicht und Stimme ihm so vertraut vorgekommen waren. Sie gehörten dem Mann, der sein allererster Fahrgast gewesen war, dem, der ihm von den hundert Gängen erzählt hatte, die das Leben angeblich habe. Ohne den langen Bart und die weiÃe Scheitelkappe hatte er ihn zunächst nicht erkannt.
Eine philosophische Grübelei über das Bombayer Taxi
Alles, was Sie nie über dieses Thema wissen wollten und nun gezwungen sind zu erfahren.
Das Erste, was einem â abgesehen von der charakteristischen gelb-schwarzen Lackierung â an einem Bombayer Taxi auffällt, ist der Taxifahrer. Es gibt niemanden, absolut niemanden auf der Welt wie ihn. Schräg über seinen Rumpf verläuft eine diagonale Falte, sodass die eine Hälfte von ihm in einem pythagoreischen Winkel zur anderen steht. Seine rechte Hüfte und Schulter haben die Fahrertür teilweise ausgebeult, und seine linke Arschbacke ist der einzige Teil seiner Person, der mit dem Sitz in Berührung kommt. Anders als Taxifahrer in anderen Weltgegenden, die direkt hinter dem Lenkrad sitzen, sitzt er in der Ecke zwischen der rechten Tür und dem Fahrersitz. Dies hat einen guten Grund.
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