Die Statisten - Roman
hier ist nicht gerade der vergnüglichste Aufenthaltsort. Wie gehtâs Mama? Und Pieta?â
âGesehen habe ich sie das letzte Mal, als ich ihnen ausgerichtet habe, du hättest wegen eines Drehs die Stadt verlassen. Deine Schwester sah erst mal etwas überrascht aus, hat dann aber die Achseln gezuckt und nur gesagt: âDiese Filmleute!ââ
âWas sollte das denn bitte heiÃen?â
Ravan erinnerte sich an den Abend, an dem er Pieta gesehen hatte. Die Treppe zu den Coutinhos hinaufzusteigen war ihm schwieriger erschienen, als den Everest zu erklimmen. Aber er hatte Eddie nun einmal sein Wort gegeben und, was noch wichtiger war, er wusste, welche fürchterlichen Sorgen sich seine eigene Mutter gemacht hätte, wenn ihr Sohn abends nicht heimgekommen wäre.
Er hatte gehofft, Eddies GroÃmutter würde die Tür öffnen, aber es war nicht sein Glückstag. Andererseits war er dankbar dafür, dass es nicht Mrs Coutinho war. Pieta war zunächst ziemlich perplex, als sie ihn sah, dann erstarrten ihre Züge zu einer feindseligen Maske.
âWas wollen Sie?â Ihre Stimme war hart und kalt.
Ravan zuckte bei ihrem Ton innerlich zusammen, tatsächlich aber war die Antwort so einfach, dass er nicht begriff, wie sie überhaupt fragen konnte: Er wollte Pieta, er wollte sie mehr als alles andere auf der Welt â na ja, vielleicht ausgenommen Erfolg beim Film. Er wollte sie zur Frau haben.
âEddie hat mich gebeten, Ihnen etwas auszurichten.â
âUnd zwar? Ist was passiert?â
âNein, nein. Aber es hat eine Ãnderung im Drehplan gegeben, und er musste, zusammen mit ein paar anderen, sofort abreisen.â
âWohin?â
Darüber hätte Ravan besser früher nachdenken sollen, anstatt jetzt ein dummes Gesicht machen zu müssen. Was sollte er sagen? Indien war ja weià Gott ein groÃes Land, der einzige Ort allerdings, der ihm in diesem Moment einfiel, war Kaschmir. Er wünschte, ihm wäre ein glaubwürdigerer Erholungsort eingefallen, aber wenn er noch länger gezögert hätte, wäre sie bestimmt argwöhnisch geworden.
âNach Kaschmir.â
âKaschmir?â
âJa, hab ich doch gesagt.â
âDa muss er doch hinfliegen!â
âUm all so was kümmert sich die Produktionsfirma.â
Gott, er hasste es, Pieta anlügen zu müssen! Warum hatten nicht Mrs Coutinho oder die GroÃmutter aufmachen können?
âAber dort wird es sehr kalt sein!â
âEs gibt Kamine in den Zimmern. Und auÃerdem haben sie jede Menge Wollsachen gekauft.â
âDiese Filmleute!â Sie schüttelte den Kopf und gab offenbar den Versuch auf, sie verstehen zu wollen. âWas sollâs, sie werden schon auf ihn aufpassen. Was ist mit Ihnen, weshalb sind Sie nicht dabei?â
âIch kann nicht einfach so weg, wann es mir passt, ich fahre ja Taxi.â
Ravan war bereits am Treppenabsatz, als sie sagte: âDanke. Danke, dass Sie raufgekommen sind, um es auszurichten.â
Das war ein Tiefschlag, völlig unnötig. Jetzt würde er sich die ganze Nacht und den Rest seines Lebens schuldig fühlen, weil er jemanden, den er so sehr liebte, angelogen hatte.
âIch weià nichtâ, sagte Ravan zu Eddie. âWahrscheinlich meinte sie, dass die Leute beim Film rücksichtslos sind, einfach von einem verlangen, dass man Knall auf Fall wegfährt, ohne seinen Angehörigen Bescheid sagen zu können.â
âDanke, Ravan. Du hast was gut bei mir. Und richte deiner Mutter bitte aus, dass der Garnelen-Curry köstlich war.â
âVergiss bloà nicht, dass du in Kaschmir, nicht in Karjat warst.â
âKeine Angst.â
âEs ist schon nach sieben. Ich muss weg, bevor die Schwester kommt und mich zusammenstaucht.â
âWann kommst du morgen?â
âMorgen kann ich nicht. Einer der anderen Fahrer hat frei, und ich muss eine Doppelschicht fahren.â Eddie machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. âNa, mal sehen. Ich schau morgen kurz mit etwas Leckerem aus dem Moti Mahal vorbei. Und am Abend danach können wir so viel reden, wie du möchtest, dann bin ich nicht so in Hetze.â
Aber es war noch nicht einmal halb zwei, als Ravan am nächsten Tag in die Lungenstation gestürmt kam. Der Himmel drauÃen hing tief und grollte lautstark.
âHey, was ist los? Ich hatte dich erst abends erwartet!â,
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