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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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-Chawls-Komplex besuchen. Geburten, Hochzeiten, Todesfälle, er war ständig da. Aber das Band zwischen den Coutinhos und ihm war anderer Natur. Er gehörte zur Familie, schlicht und einfach. Eddies Mutter war von Pater D’Souza abhängig. In großen wie in kleinen Dingen: Wenn sie geistlichen Beistand brauchte, Verständnis, moralische Unterstützung, einen Sandsack zum Abreagieren und einen persönlichen Briefträger zum lieben Gott. Er war Priester, Beichtvater und geistlicher Führer. Er war der gute Hirte. Ravan hatte das Gefühl, den Priester schon sein Leben lang zu kennen.
    Der junge Büßer kam jetzt richtig in Fahrt. Er hatte ausgezeichnete Lehrmeister gehabt: Madan Kamble, den Mann, der auf der Marathi-Bühne die Frauen mit seiner Spezialität, Frauenrollen besser zu spielen als jede Frau, reihenweise hingerissen hatte und Schlagzeuger bei der New India Brass Band gewesen war; und Eddies Mutter, Violet, deren Worte und Redewendungen er auswendig wusste und vollkommen natürlich wiedergeben konnte. Kambles Stil war rhetorisch, während Violets Äußerungen unmittelbar aus den ewig bitteren Wassern ihres Herzens strömten. Die Seligkeit, sich die Schuldlast eines ganzen Lebens endlich von der Seele sprechen zu können, die Aussicht auf Vergebung und ein gebannt lauschendes einköpfiges Publikum setzten in Ravan eine Flut von Emotionen frei.
    Irgendwie kam Pater Agnello die Geschichte, die er da hörte, vertraut vor, und er schaltete schnell ein paar zusätzliche Lichter ein, um den Mann, der vor ihm auf dem Fußboden lag, besser sehen zu können. Allzu hell wurde es in der Kirche zwar auch dann nicht, aber Pater Agnello erkannte ihn sofort. Es war dieser Hindu-Junge aus Violet Coutinhos Chawl. Warum war er nach so vielen Jahren gekommen, um sein Verbrechen zu beichten? Pater Agnello hatte ohnehin keine Ahnung, wie er den Fall beurteilen sollte. Wie hätte Jesus die Sache betrachtet? Er schien der Meinung gewesen zu sein, Kinder seien unschuldige Geschöpfe und sie sollten, wie die Sanftmütigen, das Erdreich besitzen. Aber das war vor fast zweitausend Jahren gewesen. Vielleicht hätte Jesus die Angelegenheit heute anders gesehen – besonders, wenn er Eddie als Kind und als Erwachsenen kennengelernt hätte. Außerdem, selbst wenn das Kind Ravan unschuldig gewesen sein sollte, so änderte das nichts an der Tatsache, dass Violets Mann und Pietas und Eddies Vater tot war. Wer war denn dafür verantwortlich, wenn nicht das Kind? Schließlich hatten selbst Unfälle Ursachen.
    Aber Pater Agnello war ein guter Mensch und er empfand Mitleid mit Ravan. Er wünschte, die Seelenqualen des jungen Mannes zu lindern. Der Herr, da war er sich sicher, hätte es auch nicht anders gewollt. Und da gab er eine rätselhafte Äußerung von sich, die zukünftige Generationen auf kontroverse Weise auslegen und über die sie sich ebenso erbittert streiten würden wie frühere über den Koran, die Tora oder die Bibel, ohne je zu einer Einigung zu gelangen. „Wer Vergebung sucht, mein Kind“, sagte er, „muss zuerst selbst vergeben.“
    Aber wem sollte vergeben werden? Violet? Victor, der ohne sich etwas dabei zu denken, dem kleinen Ravan von der Straße aus zugerufen hatte? Eddie, der in aller Öffentlichkeit verkündet hatte, Ravan habe seinen Vater getötet? Oder Ravan selbst, weil er solches Unheil über die Familie Coutinho gebracht hatte?
    â€žIch will eine umfassende Beichte ablegen, Vater, und von meiner Schuld befreit werden.“
    â€žNur Katholiken können durch die Beichte geläutert werden.“
    â€žDann will ich Katholik werden!“
    â€žDas ist nicht so einfach, mein Sohn. Du musst an unseren Herrn Jesus Christus glauben und daran, dass er sich für die Menschheit – das heißt, für dich und mich – am Kreuz geopfert hat. Du musst Katechismusunterricht nehmen, um die Grundbegriffe des katholischen Glaubens und der Kirche zu lernen.
    Du musst beweisen, dass du das echte Verlangen verspürst zu konvertieren. Erst dann kannst du getauft und in die Gemeinde unseres Herrn aufgenommen werden.“
    â€žJa, ich werde alles tun, was Sie verlangen! Pater, mein innigster Wunsch ist, Priester und ein Apostel Christi zu werden!“
    â€žHalleluja!“ Pater Agnello war im siebten Himmel. „Gepriesen sei der Herr! Jesus hat dich bereits errettet!“ Der Priester

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