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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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könnte er nicht nur zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, sondern vielleicht sogar zweihundert Fliegen auf einen Schlag retten.
    Heute war der große Tag. Eddie, Asmaan und er waren zusammen mit hundert weiteren Statisten und Statistinnen zu einem Zwei-Tage-Dreh in den Rajkamal Kalamandir Studios engagiert worden. Ravan hatte die Operation bis ins kleinste Detail durchdacht. Er hatte seine Ansprache vorbereitet und sie im Taxi vor dem Spiegel einstudiert. Sie würde als eines der bewegendsten Zeugnisse der Macht unseres Herrn, die Menschheit zu retten, in die Geschichte des katholischen Glaubens eingehen. Eines war dabei so sicher wie das Amen in der Kirche: Statisten wie Statistinnen würden spätestens, wenn er zum Abschluss gelangte, in Tränen aufgelöst sein. Viele, vielleicht die meisten von ihnen, würden noch am selben Tag ihren Weg zu Jesus suchen.
    Wie immer waren die Statisten längst geschminkt und eingekleidet, während die Stars noch in der Maske saßen. Genau diesen Augenblick wählte Ravan, um zum Kreis seiner Kollegen zu sprechen.
    â€žIhr fragt euch bestimmt, warum ich in einem Priesterrock vor euch stehe. Ich will es euch sagen. Vor einigen Monaten stand ich vor Jesus Christus, so nackt wie an dem Tag, als ich zur Welt kam. Leiblich war ich durchaus angezogen, so wie ihr und jeder andere auch, und ich war sicher, ich könnte Ihm sozusagen die Mütze über die Augen ziehen. Hatte ich das schließlich nicht auch mein Leben lang mit meiner Mutter, meinem Vater, meinen Freunden und jedem sonst auf der Welt getan? Ja, wahrhaftig, ich war überzeugt, Gott verschaukeln und reinlegen zu können! Schließlich war er Millionen Lichtjahre entfernt; er hatte noch den Rest der Menschheit, um den er sich kümmern musste. Wie hätte er denn wissen können, was ich da so trieb?“ Ravan sah, dass Eddie die Menge verließ. Pech für ihn, wenn er nicht gerettet werden wollte! Wie Pater Agnello Ravan erklärt hatte, genügte es nicht, als Katholik geboren worden zu sein. Man musste auch dem Weg des Herrn folgen.
    â€žDie Wahrheit ist: Verschaukelt und getäuscht habe ich nur mich selbst! Denn Jesus mag jenseits des fernsten Sterns im Universum wohnen, aber Er durchschaut einen. Er hat einen Röntgenblick. Und jetzt kommt das Erschreckende und zugleich das Ermutigendste: Er kann uns alle gleichzeitig durchschauen. Ja, er kann genau in diesem Augenblick euch und mich erkennen. Er späht in eure Herzen und in meines; in euer Gewissen und in meines. Stellt euch nur vor – jede unserer Sünden ist ein offenes Buch für Ihn!“
    Ravan blickte auf seine Gemeinde und bemerkte eine Unruhe in der Menge. Verflucht, natürlich musste genau in dem Moment, in dem sie ihm buchstäblich an den Lippen hingen, ein Eindringling auftauchen und Unruhe stiften! Der Rüpel stieß die Leute beiseite und ging geradewegs auf Asmaan zu. Doch Ravan würde sich nicht von irgendeinem hergelaufenen Spielverderber entmutigen oder aus dem Konzept bringen lassen. „Ich stehe vor euch, ein demütiger Sünder“, fuhr er mit erhobener Stimme fort, „der das Glück hatte, von Jesus Christus errettet zu werden! Und nun möchte ich auch euch, meine Freunde, erretten! Ich bitte um nicht mehr als fünf Minuten.“
    Die fünf Minuten, um die er gebeten hatte, bekam Ravan allerdings nicht. Der Eindringling zerrte Asmaan bei den Haaren aus der Menge. Es geschah so schnell, dass Ravan meinte, er bilde es sich nur ein. Der Mann ohrfeigte Asmaan immer wieder und schrie auf sie ein. „Ich hab dir nicht nur ein Mal, sondern Dutzende Male eingeschärft, mit dem Gehure aufzuhören! Aber du dachtest, dein Bruder macht nur Sprüche! Jetzt weißt du es besser! Wenn du noch ein einziges Mal aus der Reihe tanzt, mein Wort darauf, dann bist du tot!“
    Der Bruder verdrehte Asmaan den Arm, bis sie wie ein Taschenmesser zusammenklappte, und trat ihr dann heftig gegen die Brust. Die übrigen Statisten und Statistinnen schauten mit sprachlosem Entsetzen zu. „Aufhören!“, schrie Ravan und öffnete die unteren Knöpfe seines Priesterrocks, während er auf den Mann zustürmte.
    Ravan konnte nicht glauben, wie blind er und Eddie gewesen waren. Hatten sie wirklich geglaubt, Asmaan schreibe an einem Drehbuch? Selbst ein Idiot hätte hinter all ihren lustigen, überdrehten Sprüchen erkennen müssen, dass sie von ihrem eigenen

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