Die Statisten - Roman
zu, wie sie sich krümmten, während er die Klinge in der Wunde herumdrehte.
Er konnte sich jeden Beliebigen vornehmen, auf der StraÃe oder im Zug auf dem Weg nach Hause: eine fettleibige Frau, einen Stotterer, einen Macho-Typen, der breitbeinig dasaà und sich weigerte, Platz für einen anderen Fahrgast zu machen. Die ersten zwei Opfer versuchten vielleicht wegzuschauen, aber der harte Typ fragte Eddie garantiert, ob sein ScheiÃvater vielleicht den Sitz gepachtet hatte, und dann stand es in den Sternen, wie der Abend ausgehen würde. Eddies Lieblingszielperson jedoch war Ravan. Er wusste, dass Ravan am liebsten bei der nächsten Station ausgestiegen oder gar vom fahrenden Zug gesprungen wäre, um keine peinliche Szene miterleben zu müssen, sein Pflichtgefühl es ihm aber nicht erlauben würde, den Freund im Stich zu lassen.
âFang bitte keinen Streit an, Eddie. Es ist schon spät, und alle sind müde und möchten gern nach Hauseâ, flehte Ravan ihn an. âWenn du möchtest, können wir in einen anderen Waggon gehen oder den nächsten Zug nehmen.â
âSteig du nur aus, wenn du willst! Ich streite mich ja nicht um meinetwillen. Hier sind ältere Leute und Frauen, aber dieser Schwachkopf ist nicht imstande, seine fetten Schenkel zusammenzuklappen und ein bisschen Platz zu machen, damit sich einer von denen setzen kann. Es geht ums Prinzip! Aber was weiÃt du schon davon? Keiner hat dir je vorgeworfen, du hättest Eier in der Hose! Denn wenn da welche wären, hättest du dir vielleicht auch mal eine Freundin zugelegt und wüsstest, was Liebe ist!
Wie hältst du es eigentlich mit Sex, Ravan? Bei so einem Namen würde man annehmen, dass du davon zehnmal so viel brauchst wie ein normaler Mensch! Kein Wunder, dass deine Mutter befürchtet, du seist eine Schwuchtel!â
Prima, jetzt wusste dank seinem Freund Eddie jeder im Abteil, dass er Ravan hieà und dass er ein Mann ohne Mumm, ohne eine Frau und ohne die Dinger war, die ein Mann zwischen den Beinen haben sollte. Konnte er Eddie verraten, überlegte sich Ravan, dass er in seine Schwester Pieta verliebt war, und zwar seit seiner Schulzeit, und ihn fragen, ob er nicht bei ihr ein gutes Wort für ihn einlegen könnte? Ach, vergiss es! Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, Eddie oder sonst jemandem von seiner unerwiderten Liebe zu erzählen.
Was immer zwischen Eddie und Asmaan ablief, es hielt nicht lang. Er zog weiter, nicht zu einer Bestimmten, sondern zu jeder, die gerade zur Verfügung stand und Lust hatte. Es schien keinen Mangel an freundlichen Seelen zu geben, weder im Studio noch bei AuÃendrehs. Und notfalls sogar unter den jungen katholischen Damen der CWD -Chawls. Es gab mehr als genug einsame, gelangweilte, seelisch lädierte oder freigeistige Statistinnen, die sich Gesellschaft wünschten. AuÃerdem lieà sich nicht bestreiten, dass Eddie gut aussah und, wenn ihn nicht gerade der eine oder andere Teufel ritt, charmant, witzig und voll manischer Energie sein konnte. Bald wurde es zu seiner Ganztagsbeschäftigung, Partnerinnen zu wechseln, und zwar schneller, als seine Mutter die Seiten ihrer Schmonzetten umblätterte, und er hatte nicht einmal mehr Zeit zu saufen. Der Schnaps war nicht billig, und der Sex war umsonst. Seine Logik war zwar unbewusst, aber unanfechtbar: Manchmal kann man den eigenen Schmerz nur dadurch ertragen, dass man so vielen anderen Menschen wie möglich weh tut. Es war, als versuchte er, etwas zu beweisen: Wenn Belle ihn abservieren konnte, dann konnte er sie in dieser Disziplin um Längen schlagen. Es war so viel aufgestaute Wut in ihm, dass er nicht eher Frieden finden würde, bis jede Frau in der Stadt für das bezahlt haben würde, was Belle ihm angetan hatte.
Ravan machte sich häufig Gedanken über Asmaan. Manchmal war es unmöglich, mit ihren Stimmungsschwankungen mitzuhalten oder zu erkennen, was sie gerade umtrieb. Er erinnerte sich an die Zeit, als sie beim Dreh von ManiyarSirs âBharatâ gearbeitet hatten. Den ganzen Vormittag lang war sie rastlos und angespannt gewesen. Und als der erste Regieassistent nachmittags um halb fünf bekanntgab, dass sie bis Mitternacht durcharbeiten würden, hatte sie einen ihrer Redeanfälle gekriegt.
âEines Tages werden uns unsere Kinder erzählen, dass Rajus Vater Pilot ist und Rashids Vater eine Eisenwarenhandlung hat und Erics Vater
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