Die Statisten - Roman
schaute auf und sah den dehydrierten Mr Tamhane, den Justizangestellten, der mit einem Lächeln auf ihn zukam, das so falsch war, dass er es mit seinem linken Eckzahn (der rechte war gebrochen) festhalten musste, ihm aber immer wieder wie ein loses Namensschild herunterfiel. Ravan wusste in dem Moment, dass die Zukunft nichts Gutes verhieÃ. Etwas konnte nicht in Ordnung, ganz gewaltig nicht in Ordnung sein, denn Tamhane hatte Ravan seit über fünfzehn Jahren nicht gegrüÃt oder auch nur zur Kenntnis genommen. Er hatte nie zurückgeschreckt, Ravan, als er noch ein Kind war, wissen zu lassen, dass er ein fauler Apfel war und nicht der Umgang, den er sich für seinen Sohn Anant wünschte.
Der Justizangestellte hatte so etwas wie einen Rekord im Einreichen von Klagen aufgestellt. Er hatte elf Prozesse gegen Nachbarn in seinem eigenen Gebäude laufen, und Gerüchten zufolge vier weitere Klagen gegen drei seiner ehemaligen Schulkameraden eingereicht â vielleicht weil er als Mitarbeiter der indischen Justizbehörde Rabatt bekam. Die einzige Hoffnung der Bewohner der CWD -Chawls war, dass Mr Tamhanes Sohn Anant es fertigbringen würde, seinen Vater noch zu überflügeln, indem er einundfünfzig Zivilklagen gegen ihn einreichen und dafür sorgen würde, dass der chronische Prozessierer aus der Siedlung flog.
Wäre Ravan auch nur annähernd bei Verstand gewesen, hätte er augenblicklich kehrtgemacht und wäre auf einen anderen Kontinent geflohen. Doch Mr Tamhane war bereits nahe genug, um ihn festzunageln: âHihi, da bist du ja! Genau der, den ich suche. Ich erinnere mich an dich, oh ja, ich erinnere mich gut an dich. Du warst das Kind Bal Krishna , eine regelrechte Bedrohung für die Tugend sämtlicher Frauen. Jetzt, wo du zum mächtigen Herrn Shri Krishna herangewachsen bist, keinem Geringeren als dem Verfasser unseres allerheiligsten Textes, der Bhagavadgita , wette ich, dass keine Frau in ganz Asien, ob jung ob alt, vor deiner ehebrechenden Flöte sicher ist. Hihi!â
Ravan sah Mr Tamhane mit einer gewissen Verwunderung an. Als Kind hatte er die sexuellen Andeutungen des älteren Mannes nicht verstanden, doch selbst damals hatte er sich durch sie beschmutzt gefühlt. Er ging noch immer mit denselben abgestandenen Witzeleien hausieren und kam sich toll dabei vor. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee gewesen, ihm eine in die Schnauze zu hauen, nur dass dies Ravan nichts anderes eingebracht hätte als ein gebrochenes Handgelenk. Tamhanes allumfassende Sparsamkeit hatte nicht zugelassen, dass auch nur ein Extragramm Fleisch sein Knochengerüst auskleidete. Alles an ihm stach hervor, seine Nase, seine Jochbeine, Knie, Basedow-Augen, FuÃknöchel, seine gelblichen Rattenzähne â alles, ausgenommen seine konkaven Wangen, die wie innen aneinandergeklebt wirkten.
âIch überbringe frohe Neuigkeiten. Dein bester Freund, Anant, wird bald heiraten. Und er will für die musikalische Begleitung seiner Hochzeitsfeier ausschlieÃlich die beste Band der Stadt haben, ja die beste des ganzen Landes. Wer könnte das sein, habe ich ihn gefragt, wer könnte das sein? Und weiÃt du, was seine Antwort war? Wie können Sie nur fragen, sagte er zu mir, wer könnte es sein, wenn nicht mein alter Kumpel, Ravan Pawar, und seine Cum September Jai Bharat Band!
Die Brauteltern wollten eine westliche Band verpflichten, eine, die auf der Hochzeit der Tochter des Chief Ministers gespielt hatte. Doch Anant wollte nichts davon wissen. Er lehnte kategorisch ab. Entweder wir bekommen Ravan Pawar, oder Sie können die Hochzeit vergessen! Kannst du dir das vorstellen? Er hat ihnen das Messer an die Brust gesetzt! Erweise uns die Ehre, auf der Hochzeit unseres Sohnes zu spielen, und mache diesen Tag zum glücklichsten seines Lebens.
Gut, das wäre also abgemacht. Die Hochzeit findet am 24. dieses Monats statt. Wir erwarten euch dort um Punkt 6.30 Uhr früh. Der muhurt ist zwar erst um 8.24 Uhr, aber ich möchte, dass die festliche Stimmung gleich von Anfang an einsetzt, und natürlich wollen wir auf keinen Fall, dass beim Empfang am Abend irgendjemand auÃer der Cum September Band spielt. Verspätet euch nicht. Zeit, wie du weiÃt, ist Geld.â
Tamhane machte auf der Stelle kehrt und versuchte, einen schnellen Abgang zu machen. Vielleicht war ihm bewusst geworden, dass er das Tabuwort âGeldâ ausgesprochen hatte, das
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