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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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„Ich fürchte, er kommt nicht. Wir sind jetzt ganz unter uns: Sie, ich und Sub-Inspector Mrs Joshi.“
    Plötzlich verspürte Eddie einen unbändigen Harndrang. Jetzt, sofort, augenblicklich musste er aufs Klo, sonst würde es gleich eine Pfütze unter seinem Sitz geben. Er war schon drauf und dran, den Polizisten um Erlaubnis zu bitten, riss sich aber noch rechtzeitig zusammen. Der Polizist wäre über seinen lieblichen Bariton hellauf begeistert gewesen. Er stand mühsam auf; der ganze Schwarzgebrannte lastete schwer an ihm. Vorsichtig stieg er die Treppe hinunter und gesellte sich zu den Frauen, die schon aufgereiht auf dem Bürgersteig standen. Hinter ihrem Doppeldecker stauten sich bereits vier oder fünf andere Busse, und weitere waren im Anmarsch. Die Fahrgäste lehnten sich schaulustig aus den Fenstern, und die Schaffner waren ausgestiegen, um das Schauspiel aus nächster Nähe verfolgen zu können.
    â€žMrs Joshi, ich wette fünfzig Rupien mit Ihnen, dass Sie noch nie so viele Schwangere auf einmal gesehen haben!“
    â€žIch habe nicht die ganze Nacht Zeit, Havaldaar “, erwiderte Sub-Inspector Mrs Joshi barsch. „Trennen Sie die Schwangeren vom Rest.“
    Der Polizist fing an, mit seinem Stock leicht auf die Bäuche der Frauen zu klopfen. „Eins, nein, die hat keinen Braten in der Röhre, die Nächste auch nicht, ah ja, die hier hat Drillinge“, sagte er, als er Eddies Bauch abklopfte und dann weitermachte. „Nein, wieder nein, ah ja.“ Diese Frau klopfte er zwei Mal ab, um sicherzugehen. „Ja, bislang drei.“
    â€žAllah, ya Allah …!“, flüsterte die Frau, die der Polizist gerade überprüft hatte, und fiel zu Boden.
    Eine der Frauen schrie: „Satan, du Teufel, schau, was du getan hast! Du hast sie getötet!“
    Bevor Eddie begriff, was da geschah, hatten die Frauen einen Halbkreis um die Gestürzte gebildet. Was sollte er nur tun, was sollte er nur tun? Am liebsten hätte er die Flucht ergriffen, aber sein Herdeninstinkt sagte ihm, dass man gemeinsam stärker war. Schnell schloss er sich den anderen an. Er meinte, einen dumpfen, schaurigen Wind zu hören, der aus der Wüste Thar, im Nordosten, heranwehte. Seltsamerweise unternahm keine der Frauen den geringsten Versuch, ihre Freundin wiederzubeleben. Sie sahen aus wie Geier, die am Himmel kreisten und darauf warteten, auf die Frau niederzustoßen und sie zu skelettieren.
    Das unheimliche Geräusch nahm an Lautstärke zu. Eddie ging auf, dass kein Wind so wild und bedrohlich klingen konnte; es waren die Frauen, der schwarz gewandete Chor aus der Hölle, die wehklagten. Am liebsten hätte Eddie die auf dem Boden liegende Frau aufgehoben und schleunigst in ein Krankenhaus getragen, aber wie hätte er sich mit dieser neun-Tonnen-schweren Boa Constrictor um den Bauch bücken können? Und außerdem schien er jetzt in ebenso großer, wenn nicht noch größerer Gefahr als die Frau zu schweben.
    Die Geierfrauen hatten angefangen, sich rhythmisch gegen die Brust zu schlagen. Eine nach der anderen warfen sie den Gesichtsschleier ihrer Burka nach hinten, und Eddie sah ihre Zungen wie karminrote Vogelschwingen gegen ihr Gaumendach flattern. Jetzt saß er wirklich in der Scheiße. Schlug er die Gitterklappe zurück, war er erledigt. Tat er es nicht, ebenfalls. Er fing an, sich mit den Fäusten gegen die Brust zu hämmern, als wollte er sich die Rippen brechen.
    Die Älteste der Geierinnen fing wieder an, Havaldaar Jadhav anzuschreien: „Du hast sie getötet, du hast sie getötet! Möge deine Seele für alle Ewigkeit in die unterste Hölle fahren! Mögen alle deine lebenden Kinder binnen zweier Wochen zugrunde gehen, und mögen deine ungeborenen Kinder, dich verfluchend, in den Leibern ihrer Mütter sterben! Möge der Nektar der Liebe in all denen, die dir teuer sind, zu Gift werden! Mögen Gott und das Glück dir niemals hold sein! Mögest du ohne einen Erben sterben, der deinen Scheiterhaufen anzünden kann!“
    Havaldaar Jadhav schrumpfte angesichts der Verfluchungen, die die Frau ihm an den Kopf warf, in sich zusammen und wusste tief in seinem Inneren, dass sein Leben von nun an eine Wüste sein würde, die er auf der Suche nach einem Tropfen Wasser oder einem Krumen Zuneigung durchstreifen, in seinem Mund aber lediglich der Geschmack von Mord und Todsünde

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