Die Staufer und ihre Zeit
SPIEGEL: Wie weit ist diese Staufer-Welt gespalten? Auf der einen Seite der rückständige, bäuerische Norden – und im Süden die beinah schon moderne Stadtkultur, dazu noch in Sizilien die Einflüsse aus Byzanz und dem Orient.
WEINFURTER: Das Gefälle ist tatsächlich groß. Regionen wie Oberitalien, Frankreich oder Flandern eilen kulturell und wirtschaftlich weit voraus, da kommt die Dynamik in den deutschen Reichsgebieten nicht mit. Erst am Ende des 15. Jahrhunderts beginnt eine Aufholjagd, die dann im 16. Jahrhundert einigermaßen glückt.
SPIEGEL: Eigenartig, dass gerade derjenige Herrscher, der aus diesem etwas rückständigen Norden kommt, mit dem größten Machtanspruch auftritt und sagt: »Ich bin der Kaiser. Ich stehe über den anderen Herrschern.«
WEINFURTER: Barbarossa treibt die Idee an, dass Kaisertum und Papsttum gleichwertig sind. Er ist, wenn man so will, auch noch ein »deutscher« Herrscher, der seine Grundlagen im Reich nördlich der Alpen hat. Aber schon sein Sohn Heinrich VI. schickt sich an, ein sizilischer Herrscher zu werden, er hält sich kaum mehr im Reich auf. Und Friedrich II. betritt gar mit 17 Jahren zum ersten Mal deutschen Boden. Natürlich weiß er, dass er zum Staufer-Haus gehört. Aber sobald er die Kaiserkrone hat, verlässt er das Reich und begibt sich in seine eigentliche Heimat Sizilien.
SPIEGEL: Nur einmal kehrt er kurz zurück.
WEINFURTER: Ja, für etwa zwei Jahre. Insgesamt gesehen muss man sagen, dass sich das Kaisertum vom Reich trennt. Friedrich II. lässt ja sogar einen eigenen König für das Reich wählen, seinen Sohn Heinrich VII., und nach seinem Tod gibt es lange Zeit, mehr als ein halbes Jahrhundert, überhaupt keinen Kaiser mehr. Man sieht, die Gestaltungskraft, die zuvor aus dem Kaisertum strömte, ging völlig unter.
SPIEGEL: Als Barbarossa 1152 zum König gewählt wird, ist seine Machtposition gegenüber dem Papst – ideologisch gesehen – nicht gerade glänzend. Was treibt ihn an, nun den Kampf um die Vorherrschaft in Europa auszutragen?
WEINFURTER: Mit ihm kommt eine neue Generation an die Macht, junge Männer, die bedeutende Fürsten werden wie Heinrich der Löwe, Rainald von Dassel oder Eberhard von Bamberg. Die sind alle so zwischen 20 und 30, außerordentlich dynamisch und tatenhungrig, eine Aktionsgemeinschaft der Jungen. Sie glauben, dass sie die eigentlich schon untergegangene Ordnungsfigur des Kaisertums so »renovieren« müssen, dass sie zu einem effizienten Herrschaftsmodell wird. Das Programm von Friedrich I. und seinem Kreis heißt: Wiederbelebung des antiken Kaisertums. Die Herrscher des Reiches sollten die neuen Caesaren sein. Wer dieses Programm umsetzen will, muss in Italien herrschen, am besten auch in Rom, der Stadt des Papstes. Der so heraufbeschworene Konflikt spitzt sich rasch zu und ist nicht friedlich zu lösen.
SPIEGEL: Barbarossa tritt als der Mann auf, der von Gott selbst zum Herrscher bestimmt ist. Warum braucht er eigentlich den Papst noch, um sich zum Kaiser salben zu lassen?
WEINFURTER: Diese Frage wird in der damaligen Zeit durchaus diskutiert. Vor der Kaiserkrönung reist eine Delegation des römischen Senats an den Hof Barbarossas und sagt ihm sinngemäß: »Du brauchst den Papst doch gar nicht, und außerdem sind wir, der Senat von Rom, diejenigen, die das Kaisertum vergeben, der Papst hat in der Antike nie die Kaiser gekrönt.« Das sind gute Argumente, trotzdem folgt Barbarossa der kirchlich-christlichen Tradition. Wir kennen seine Erwägungen nicht, aber man wird doch festhalten müssen, dass ihm ohne die sakrale Weihe etwas ganz Wichtiges gefehlt hätte. Durch die Wahl der Fürsten ist der göttliche Auftrag bereits an ihn ergangen, aber der Papst beglaubigt diesen Auftrag vor den Augen der Welt.
SPIEGEL: Beim Blick auf die Staufer fallen vor allem Herrscher ins Auge, die viele Jahrzehnte regiert haben, Barbarossa,
Friedrich II. Aber immer wieder kommt es zum Thronstreit, werden König und Gegenkönig aufgestellt. Wie chaotisch war die politische Wirklichkeit dieser Jahre?
WEINFURTER: Sehr chaotisch oft, das war keine schöne ruhige Herrschaftsfolge, vor allem nach der Doppelwahl von 1198. Es gab zwei Könige und immer wieder wechselnde Koalitionen, bei denen die beiden Konkurrenten versuchten, die Fürsten auf ihre Seite zu ziehen, sie mit Geschenken oder der Aussicht auf Besitz oder Rechte zu gewinnen – eine Zeit großer Wirrnisse, ein Bürgerkrieg.
SPIEGEL: Wirklich? Wie viele der 10 bis 12
Weitere Kostenlose Bücher