Die Staufer und ihre Zeit
Stückwerk aus vergangenen Stil-Epochen – träge liegt er nun da und schimmert in der Morgensonne.
Damals, in der Antike und im Mittelalter, galt: Wer den Palast besetzte, beherrschte Palermo, baute um, baute an und stülpte ihm sein steinernes Verständnis von Macht über. Die Fundamente stammen von den Karthagern, sie nannten die Stadt »Pànormo«, unter den Arabern hieß sie »Balarm«, im 9. Jahrhundert baute sich hier der Emir von Palermo eine Sommerresidenz. Um 1100 zogen die Normannen Festungstürme hoch, schmückten die Säle mit byzantinischen Mosaiken und islamischen Malereien. Friedrich II. von Hohenstaufen
wuchs zeitweilig in diesen Mauern auf, später kamen die Anjou, die Aragoner, Savoyen, Bourbonen und Österreicher; die jüngste Baumaßnahme ist eine Rollstuhlrampe für Bustouristen.
Heute tagt die sizilianische Regionalversammlung im Normannenpalast. Auf dem Parkplatz polieren Fahrer dunkelblaue Dienstlimousinen. Vorbei an Speisesälen und Kapellen der einstigen Herrscher schlendern Palermos Politiker, Einstecktuch passend zur Krawatte, Akten im Arm, Handy am Ohr. »Come va Onorevole, ehrenwerter Herr, schön Sie zu sehen« säuseln sie, küssen sich auf beide Wangen, kippen ihren Caffè mit lässigen Gesten, tuscheln und klagen.
Die guten Zeiten sind lange vorüber, das hört man oft im Palermo des 21. Jahrhunderts. Sie meinen »die 300 glücklichen Jahre der Insel«, noch bevor die Staufer hier einzogen. Als Sizilien auf dem Höhepunkt seiner politischen Macht war und Palermo das Zentrum einer einzigartigen Kulturlandschaft zwischen Orient und Okzident. Als durch den christlichen Königshof der Normannen Weihrauchduft zog, Eunuchen den Harem bewachten und muslimische Beamte die Finanzgeschäfte führten. Heute herrschen hier die Übel der Moderne: Der Regionalpräsident soll in Mafia-Geschäfte verstrickt sein, vergebens kämpft man gegen Arbeitslosigkeit, Korruption und Müllberge so hoch wie die von Neapel.
Eine Klingel schrillt, aus dem Saal im Normannenturm, dem »Torre Pisana«, schreitet jetzt der Ratspräsident, Höflinge buckeln hinterher, die Parlamentssitzung beginnt. Die Politik im Palast wirkt provinziell, beinahe apathisch, Sizilien ist heute eine vergessene Insel vor Afrika.
An einem der Fenster dieses Turmes habe er oft gestanden, unter 15 Meter hohen Deckengewölben mit goldglänzenden Mosaiken, und hinab auf die Stadt geschaut, sagt ein Kunsthistoriker, der für die »Fondazione Federico II.« Abgeordnete
und deren Gäste durch die alte Pracht führt. Er, Friedrich II. von Hohenstaufen.
Es war im Jahr 1200, er war gerade mal fünf Jahre alt, ein Waisenkind mit deutschen Wurzeln. Das, was Friedrich sah, muss ihn verwirrt und bezaubert haben, es war wie Bagdad im Morgenland, er schaute ins Paradies. Er sah auf die Kuppeln der 300 Moscheen, die damals das Stadtbild prägten. Er hörte die Rufe der Muezzins, sah Basarstraßen und üppige Gärten, aus denen Lustschlösser erstrahlten hell wie Wüstenkastelle. Er blickte auf das Erbe seiner normannischen Vorfahren, die den Sarazenen aus Nordafrika und Persien die Macht abgetrotzt hatten und trotzdem eine kluge Toleranzpolitik betrieben, weil sie Kunst und Wissenschaft förderten und Religionsfreiheit erlaubten, weil sie die bestehende Kultur übernahmen, ohne sie zu zerstören.
Er wuchs auf in einer blühenden Wirtschaftsmetropole mit rund 200 000 Einwohnern, halb Muslime, halb Christen, darunter ein paar Griechen. Nur Konstantinopel soll damals noch schöner und größer gewesen sein. Rom, einst Zentrum der Antike, war ein Städtchen dagegen, arm und geplündert. Es war die Zeit einer politisch-kulturellen Harmonie und Palermo so etwas wie ein melting pot der mittelalterlichen Welt.
Zum täglichen Gebet stieg Friedrich die Treppen hinab in die Hofkapelle Palatina, sein Großvater Roger II. hatte sie um 1140 von vermutlich vorwiegend arabischen Künstlern erbauen und mit kufischen Schriften ausschmücken lassen. Seit Kurzem ist die Kapellendecke restauriert, es lässt sich wieder erahnen, was Friedrich damals fasziniert haben muss: Er kniete unter einem Märchenhimmel des Morgenlandes. Die Malereien erzählen vom Hofleben im Palast: Turbantragende Männer reiten auf Kamelen, trinken Wein, Pfauen stolzieren unter Palmen, mandeläugige Mädchen spielen Harfe
und tanzen halbnackt – von einem islamischen Bilderverbot war damals keine Rede.
Es war eine völlig andere Welt als die in den kalten Burgen des Nordens; ein friedliches
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