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Die Staufer und ihre Zeit

Die Staufer und ihre Zeit

Titel: Die Staufer und ihre Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Nebeneinander christlicher, byzantinischer und islamischer Traditionen. Aber es währte nur kurz. Mit 17 Jahren verließ Friedrich Sizilien, er wurde in Deutschland zum König gekrönt, mit 25 Jahren vom Papst in Rom zum Kaiser erhoben und zog nach Apulien. Orientalischen Prunk liebte er bis zu seinem Lebensende, aber er sympathisierte nie mit dem Islam. Er vergaß Palermo und jagte die sizilianischen Araber davon – mit der Multikulturalität war es für immer vorbei.
    Vor dem Palast wartet Francesco Rizzoli, ein 30-jähriger Historiker der Universität von Palermo, er hat blondes Haar, ist großgewachsen, ein Nachfahre der Staufer vielleicht, wer weiß das schon nach all den Jahrhunderten. Er sitzt auf seiner blauen Vespa »Liberty«, reicht einen Zweithelm für eine Tour durch seine Stadt, hupt sich durch verkehrsdurchflutete Gassen und sucht nach Spuren von damals. »Alles ist da«, ruft Francesco gegen den Fahrtwind, »und vieles bestens erhalten.« Nur das Wissen um Palermos prächtige Vergangenheit sei verschüttet, kein Kind lerne mehr etwas darüber in der Schule, das mache ihm Sorgen, denn Ignoranz fördere die Abgeschiedenheit seiner Insel.
    Friedrich, sagt Francesco, spazierte oft unter von Wein umrankten Pergolen vom Palast zur Kathedrale, in der man Weihnachten 1194, einen Tag vor Friedrichs Geburt, seinen Vater Heinrich VI. zum König von Sizilien gekrönt hatte. Um den jungen Friedrich herum, so berichten es die Quellen, lebten Christinnen, die Araberinnen nachahmten, die sich mit bunter Seide verschleierten und ihre Hände mit Henna bemalten.
    Friedrich sei ein wissbegieriger Junge gewesen, glaubt Francesco, ein Sprachgenie – »wie alle Sizilianer«. Arabisch und
sizilianisches Volgare habe er auf den Märkten von Palermo gelernt, dort sei er oft herumgestromert. Sein aufbrausendes Temperament wurde hier geprägt, auch sein Talent zum Schönredner und Frauenheld. Das alles seien Legenden, sagt Francesco, die Wissenschaft zweifelt sie an, er aber erzähle sie gern, sie machten ihn stolz. Er hält mit seiner Vespa im Viertel Ballarò auf einem Markt, der aussieht wie ein Basar in Marrakesch. Es riecht nach Innereien, geronnenem Blut und Kurzgebratenem. In schummrigen Gassen bieten Händler Datteln feil, Zimt, Kardamom, Couscous. Tätowierte Fischer rufen den Tagespreis für Thunfisch in die Menge, sie sprechen heftigen Dialekt, viele ihrer Wörter stammen aus dem Arabischen.
    Der Normannenpalast »Palazzo Reale« in Palermo
    Wie lebten sie damals in dieser Vielvölkerstadt? In gegenseitigem Respekt, meint Francesco, Tür an Tür. Gewiss,
Araber waren Untertanen der Normannen, sie mussten eine Sondersteuer zahlen wie vorher Christen und Juden unter den Arabern. Aber sie durften vor Gericht auf den Koran schwören und öffentlich Ramadan feiern. Und vor allem durften sie ihre Bildung und Künste einbringen. Dort, wo Friedrich damals spazierte, arbeiteten sie in Bauhütten, Seidenwebereien, Schreibschulen und Badehäusern.
    Damals war es nicht wichtig, woher jemand stammte, sagt Francesco, jeder wurde gebraucht, egal welcher Herkunft, welcher Religion. Das präge die Mentalität der Sizilianer bis heute, sagt er und führt auf eine Piazza. Dort treffen sich Zigeuner aus Rumänien, Muslime aus Nordafrika und Bangladesch, Obdachlose aus Palermo. Sie sitzen auf Bierkisten, sprechen in vielen Sprachen, trinken Tee und Alkohol. »Es gibt hier keine Lega Nord, keine rassistischen Unruhen«, sagt Francesco.
    Die Serpentinenstraße schraubt sich die Berge über die Bucht von Palermo hinauf, auch hier, im mächtigen Dom von Monreale, den sich Normannenkönig Wilhelm II. zum Denkmal setzen ließ, der normannisch-arabische Stilmix. Auf dem Weg liegen die Lustschlösser La Cuba, eine von Schlingpflanzen durchzogene Ruine, und La Zisa, von »aziz«, arabisch für glanzvoll, eines der schönsten erhaltenen Bauwerke aus der Normannenzeit.
    Die Schlösser befanden sich damals in der Gartenstadt Genoard, ein gigantisches Areal um den Normannenpalast, dort, wo heute die Sozialbauten wuchern. Hier gelang den Sarazenen so etwas wie eine landwirtschaftliche Revolution: Sie durchzogen die Felder mit Bewässerungsgräben und kultivierten in Sizilien bislang unbekannte exotische Pflanzen wie Orangen, Zuckerrohr, Dattelpalmen und Maulbeerbäume. Palermos Hafen Cala war damals Drehscheibe der arabischen Händler, Schiffe aus Persien und Nordafrika brachten Gold,
Seide, Baumwolle und Papyrus und Farbpflanzen wie Safran, Henna

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