Die Staufer und ihre Zeit
königlichen Hofs versammelten die Herren Siziliens die besten Handwerker ihrer Zeit – Weberinnen aus Byzanz, Färber und Seidensticker aus Arabien. Manches kostbare Stück gehörte später zu den Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches.
Von Dietmar Pieper
Der Krönungsmantel
Der machtvolle Löwe erbeutet ein Kamel, in der Mitte wächst der Lebensbaum empor. Den halbkreisförmigen Saum des Umhangs ziert eine arabische Inschrift: »Dieser Mantel wurde gearbeitet in der prächtigsten königlichen Kleiderkammer«, heißt es dort, und zwar »im Jahre 528«. Die Handwerker waren Muslime, deshalb entspricht das Datum der islamischen Zeitrechnung, die mit der Flucht des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina beginnt.
Am Hof des christlichen Königs Roger II. schrieb man das Jahr 1133 oder 1134, als das prunkvolle Kleidungsstück gefertigt wurde. Nur edelste Materialien waren gut genug: Das 3,45 Meter breite Tuch besteht aus tiefrotem Samit, auch »geritzte Seide« genannt. In verschwenderischer Pracht haben Rogers Handwerker Perlen, Goldfäden und Edelsteine aufgenäht. Urkundlich erwähnt ist das Werk aus der Normannenzeit zum ersten Mal 1246, in einem Verzeichnis der auf Burg Trifels in der Pfalz eingelagerten »kaiserlichen Zeichen«. Bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches war der Umhang als Krönungsmantel in Gebrauch.
Die Handschuhe
Rubine und Saphire, Emailleplättchen, Perlen und Gold: Die für Friedrich II. gefertigten Handschuhe aus rotem Samit sind auf das Prachtvollste geschmückt. Bedeutsam ist das Adlersymbol auf den Innenflächen: Der Nimbus (»Heiligenschein«) um das Haupt des Raubvogels versinnbildlicht den sakralen Anspruch des Kaisers – auf Augenhöhe mit dem Papst.
Das Zeremonienschwert
In den »Nobiles Officinae«, den königlichen Werkstätten Palermos, wurde diese Prunkwaffe eigens für die Kaiserkrönung Friedrichs II. 1220 angefertigt: Der Ritus sah vor, dass der Papst dem weltlichen Herrscher das Schwert mit den Worten überreichte, von Rechts wegen sei das Schwert dem Stellvertreter Christi zu eigen, der es aber nicht selbst führe, sondern dem Kaiser übertrage.
KIDNAPPING DES JAHRHUNDERTS
Aus machtpolitischem Kalkül und Rachsucht wurden Staufer-Kaiser Heinrich VI. und der König von Frankreich zu Komplizen einer unerhörten Tat: der Geiselnahme des englischen Königs Richard Löwenherz.
Von Sebastian Borger
Obstwiesen mit knorrigen Aprikosenbäumen, ausgedehnte Weinberge, Nebelschwaden auf dem Fluss, darüber schroffe Felsen – das Engtal der Donau westlich von Wien hat so viele Naturschönheiten, dass die Unesco die Wachau zum Weltkulturerbe ernannt hat. Hunderttausende von Touristen schauen jedes Jahr hinauf zur imposanten Ruine der Burg Dürnstein.
Vor mehr als 800 Jahren saß in Dürnstein ein unfreiwilliger Besucher, der wenig Sinn für die Reize der österreichischen Landschaft gehabt haben dürfte: Es war kein Geringerer als Richard, König von England, Herzog der Normandie, Graf von Anjou, Tours und von Maine, ein charismatischer Heerführer, dem Rauflust und Tapferkeit den Beinamen Löwenherz eingebracht hatten. Doch dieser hochgewachsene 35-Jährige aus der Plantagenêt-Dynastie, der Held des Dritten Kreuzzuges, schon zu Lebzeiten eine Legende des Abend- und Morgenlandes, eine globale Berühmtheit in der Welt des ausgehenden 12. Jahrhunderts, hockte nun, am Ende des Jahres 1192, als Gefangener des Österreichers Herzog Leopold – welche Schmach.
Und welcher Triumph für Richards Feinde, die sich aus Machtgier, gekränkter Eitelkeit und Rachsucht auf das Kidnapping
des Jahrhunderts verständigt hatten. Einen von Gott und dem Papst geschützten Kreuzfahrer, und diesen besonderen zumal, mehr als ein Jahr lang festzuhalten und zu erpressen, war ein unerhörter Frevel.
Die zeitgenössischen Quellen weisen merkwürdige Lücken auf, als sei den sonst durchaus detailverliebten Chronisten der beteiligten Höfe das Geschehen nicht ganz geheuer gewesen. Historiker streiten bis heute um die korrekte Interpretation dieser weitgespannten Intrige, von der doch so viel feststeht: Sie veränderte das Gleichgewicht der Mächte in Europa entscheidend und katapultierte den Staufer-Kaiser Heinrich VI. auf den Zenit seiner Macht. Ja, Heinrichs Regierungszeit von 1191 bis 1197 stelle »den Gipfelpunkt deutscher Überlegenheit über England« dar, schwärmte der Nationalist Willi Radczun 1933.
Das ist neben Propaganda auch eine historische Absurdität – schon deshalb, weil
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