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Die Staufer und ihre Zeit

Die Staufer und ihre Zeit

Titel: Die Staufer und ihre Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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der aktuellsten deutschen Löwenherz-Biografie. Sein englischer Kollege John Gillingham verweist hingegen auf mehrere Ultimaten zum
Austausch der Gefangenen gegen Lösegeld, die der muslimische Heerführer Saladin hatte verstreichen lassen. Nach dem Massaker ergaben sich mehrere Hafenstädte den Eroberern, und Saladins Unterhändler nahmen 15 Tage später die Beratungen mit Richards Emissären wieder auf.
    Ein weiteres Jahr verbrachten Kreuzzügler noch in Palästina, die angestrebte Rückgewinnung Jerusalems gelang ihnen nicht. Richard ließ christlichen Pilgern freies Geleit in die Heilige Stadt zusichern. Ohnehin habe der König in den Friedensverhandlungen »bemerkenswerte Perspektiven christlich-mulimischen Zusammenlebens« entwickelt, meint Berg. Quellen aus Saladins Umfeld sprechen voller Hochachtung über den Anführer der Christenheit, so wie sich auch Saladins Heldentaten im Abendland herumsprachen.
    Freilich klangen die Nachrichten aus der Heimat im Lauf des Jahres 1192 für Richard immer bedrohlicher. Der kleine Bruder Johann Ohneland rebellierte in England, der Franzose Philipp fiel mit seinem Heer in Richards Normandie ein, nachdem er sich mit Heinrich VI. verständigt hatte. Der neue staufische Kaiser war nicht gut auf Richard zu sprechen, weil dieser gegen Heinrichs Anspruch auf die sizilische Königskrone paktierte und zudem familiär mit den welfischen Gegenspielern der Staufer verbandelt war.
    Richard musste nach Hause, doch wie? Sämtliche Wege nach Westfrankreich oder England waren blockiert. So viele Machthaber Europas hatte Richard vor den Kopf gestoßen, dass auch sein Status als heimkehrender Kreuzfahrer keinen Schutz mehr darstellte: In Italien lauerten die Verbündeten Heinrichs VI., in Südfrankreich drohte ein Konflikt mit dem Grafen von Toulouse. Mit einer kleinen Gruppe von Vertrauten segelte Richard deshalb die dalmatinische Küste entlang und ging wohl im Friaulischen an Land. Sein Ziel könnte Ungarn oder Böhmen gewesen sein, beide regiert
von Verbündeten seines welfischen Schwagers Heinrichs des Löwen.
    Die Überquerung der Alpen im Dezember war schon anstrengend genug; bald fanden sich die als Pilger verkleideten Heimkehrer in einer wilden Verfolgungsjagd mit staufertreuen Schergen wieder. Immer wieder gerieten einige in Gefangenschaft, doch Löwenherz gelang stets die Flucht.
    Kurz vor Weihnachten 1192 verließ ihn das Glück. In einer schäbigen Spelunke nahe Wien stellten die Verfolger den falschen Pilger. Herzog Leopold höchstselbst, so schrieb der staufische Kaiser triumphierend nach Paris, habe »den Feind unseres Reiches und Störenfried Ihrer Königsherrschaft« in Haft genommen. So weit blieb Richards Würde also gewahrt. Auch musste der König nicht ernsthaft um sein Leben fürchten, dazu war er als Geisel viel zu wertvoll. Eine rasche Freilassung hätte weder dem Image noch der Macht daheim großen Schaden zugefügt. Doch je länger die Geiselhaft dauerte, desto unwürdiger wurde das Geschachere.
    Sechs Wochen lang feilschte Leopold mit dem Kaiser um das Lösegeld, bis Heinrich VI. ihm die Hälfte vertraglich zusicherte. Auf dem Reichstag in Speyer um Ostern 1193 übergab der Österreicher daraufhin seinen Gefangenen an den Staufer. In einem Schauprozess versuchte der Kaiser, der Entführung einen legitimen Anstrich zu geben. Die Anklage lautete auf Mord und Totschlag; dazu legte der Kaiser Richard die Beleidigung Leopolds vor Akko, seine gegen ihn gerichtete Sizilienpolitik, die Missachtung Philipps sowie den angeblich unwürdigen Frieden mit Saladin zur Last.
    In seiner Verteidigungsrede muss Richard die Vorwürfe beiseitegefegt haben. Aber er war auch klug genug einzuräumen, dass er auf dem Kreuzzug seine Überlegenheit gegenüber den Mitstreitern herausgekehrt habe. Schließlich warf er sich dem Herrscher des Heiligen Römischen Reiches zu Füßen.

    Der Auftritt scheint Eindruck gemacht zu haben. Jedenfalls überliefern Chronisten, der Kaiser und viele Fürsten hätten geweint. Heinrich VI. ließ den Schauprozess absagen, hielt aber Richard in Haft und schaffte ihn auf die Kaiserburg Trifels in der Pfalz, die im Vergleich zum kommoden Dürnstein eine Art Hochsicherheitstrakt darstellte. Der König wurde mehrere Tage lang, womöglich länger, in Ketten gelegt. Später lebte er als Gefangener in der Reichspfalz von Hagenau. Quälend zogen sich Monat für Monat die Verhandlungen über seine Freilassung hin. Quer durch Europa hasteten die Emissäre der

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