Die Staufer und ihre Zeit
Deutschland.
1122 verzichtete der salische Kaiser Heinrich V. im Wormser Konkordat tatsächlich auf das bis dahin ausschlaggebende Gewicht des Königs bei der Berufung der hohen Geistlichen. Zwar belehnte der Herrscher die frei Gewählten nach wie vor mit ihren weltlichen Gütern und Herrschaftsrechten – nach dem Lehnsrecht waren sie ihm dafür zur Leistung des Treueids verpflichtet, sie mussten ihn militärisch unterstützen und an den Beratungen der Hoftage teilnehmen. Diese Dienstverpflichtungen blieben jedoch, wie bei den weltlichen Fürsten, fortan ihre einzige Bindung an ihn. Andererseits öffneten sich dem Papst, der jetzt unbestritten die Hierarchie des Klerus lenkte, angesichts der neuen, außerordentlich bedeutsamen weltlichen Befugnisse der geistlichen Fürsten gerade hier besonders günstige Möglichkeiten, in Deutschland politischen Einfluss auszuüben.
Im Laufe des 12. Jahrhunderts wurde für die geistlichen und weltlichen Fürsten der Name Reichsfürsten üblich, ohne dass seine Bedeutung schon genau festgestanden hätte. Sie hatten eine führende Position im Reich mit weitgehenden Herrschaftsbefugnissen in einem ausgedehnten Gebiet, die der Herrscher direkt vergab und sie dafür lehnsrechtlich an sich band. Mit ihnen zusammen musste der König aber sein
Reich regieren, und schon in sein Amt gelangte er durch ihre Wahl.
Eine detaillierte Wahlordnung gab es nicht, beim Wahlvorgang hielt man sich an einige bewährte Gewohnheiten. Einflussreiche Fürsten mit besonderer Autorität spielten gewiss die entscheidende Rolle – und natürlich Absprachen im Vorfeld, wie sie 1152 Friedrich Barbarossa mit seinem welfischen Vetter Heinrich dem Löwen traf, um seine Wahl zu sichern. Dass es oft nur eine Handvoll Fürsten war, die den König wählte, störte offenbar niemanden. Dank ihres Rangs und Ansehens vermochten die staufischen Kaiser bereits zu ihren Lebzeiten die Königswahl ihrer Söhne durchzusetzen. Heinrich VI. musste allerdings große Widerstände überwinden, ehe es 1196 zur Wahl seines damals kaum zweijährigen Sohnes Friedrichs II. kam.
Als staufernahe Fürsten nach seinem überraschenden Tod dann seinen Sohn dennoch übergingen und stattdessen seinen jüngsten Bruder Philipp von Schwaben zum König wählten, sah Erzbischof Adolf von Köln das fürstliche Wahlrecht, dessen energischer Verfechter er war, durch diese neuerliche Erhebung eines Staufers so sehr bedroht, dass er seine Gesinnungsgenossen zur Gegenwahl des Welfen Ottos IV. veranlasste. Die üblichen, nur locker fixierten Wahlregeln wiesen keinen Ausweg aus dem Dilemma. So kam es zu einem zehn Jahre währenden erbitterten Machtkampf zwischen zwei konkurrierenden Königen, den das Land zu erdulden hatte. Nur die Fürsten profitierten von dem Konflikt, denn sie ließen sich ihre Parteinahme mit Geld, Gütern oder zusätzlichen Rechten reich belohnen.
Wolfgang Stürner
Nur wenige kennen die Staufer und ihre Zeit so gut wie der 1940 geborene Historiker. Stürner verfasste eine umfangreiche Biografie Friedrichs II., die manche Verzerrung im Bild des Kaisers korrigierte.
Die Stauferkaiser brachten ihre herausragende Stellung keineswegs nur anlässlich der Königswahl ihrer Söhne ins Spiel. Sie nutzten dazu die rein nach ihrem Ermessen einberufenen Hoftage ganz generell als höchst willkommene und angesichts der bescheidenen damaligen Kommunikationsmittel äußerst wichtige Gelegenheiten der Machtdemonstration. Dabei führten sie den geladenen Reichsfürsten und deren vornehmem Gefolge, also der Elite des Reiches, ihre überragende kaiserliche Würde einprägsam vor Augen. Bei diesen Zusammenkünften fielen die für das Reich bedeutsamen Entscheidungen.
Die Herrscher versuchten dort Konflikte unter den Fürsten zu schlichten, die Kontrahenten zum Frieden oder wenigstens zur Waffenruhe zu bewegen. Unter Leitung des Kaisers behandelten die versammelten Reichsgrößen Streitfälle zwischen Standesgenossen oder Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, worauf dieser nach ihrem Rat und Spruch entschied. Noch Friedrich II. hielt sich indes durchaus zur Revision eines so ergangenen Urteils berechtigt, wenn er dessen Gerechtigkeit anzweifelte, und zwar ohne neuerliche Anhörung der Fürsten.
Die Hoftage boten dem Herrscher den angemessenen Rahmen, um Privilegien an verdiente Helfer zu vergeben, etwa die Erlaubnis zur Einrichtung eines Marktes oder einer Zollstätte, oder sie durch Rangerhöhung zu belohnen. Dort besprach er mit den Fürsten
Weitere Kostenlose Bücher