Die Staufer und ihre Zeit
allein ließ sein Antlitz unbeweglich wie einen Stein«. Am Ende schenkte Barbarossa den Mailändern zwar das Leben, zerstörte ihre Stadt aber vollständig. In einer anderen Situation ließ er einen Reumütigen vor seinen Füßen auf dem Boden liegen und verkaufte diese Unnachgiebigkeit als neue Tugend: Gerechtigkeit. Sein Sohn Heinrich VI. ging mit normannischen Aufständischen in Sizilien noch härter um: Er ließ ihnen eine eiserne Krone auf das Haupt nageln – oder befahl, sie kopfüber aufzuhängen.
Und noch etwas änderte sich in der Stauferzeit: Während des Investiturstreits im 11. Jahrhundert hatte Papst Gregor VII. die Dominanz der Kirche über die weltliche Macht eingefordert – und darüber erbittert mit König Heinrich IV. gerungen. Am Ende musste Heinrich den legendären Gang nach Canossa antreten und dort drei Tage barfuß im Schnee ausharren, bevor er vom Kirchenbann gelöst wurde. Seit Canossa jedoch wollte kaum ein König mehr barfuß vor den Papst treten – zu groß war die Angst, dass diese Geste nicht als Zeichen des Respekts, sondern als dauerhafte Unterwerfung verstanden werden könnte.
Gesucht wurde daher ein neues Ritual, das dem Papst Ehre erweist, ohne dass der König zu unterwürfig wirkt. Das Führen des Pferdes und das Halten des Steigbügels schien ein Ausweg zu sein. Doch dieser sogenannte Stratordienst war im 12. Jahrhundert noch nicht etabliert – und das dürfte der Grund für den Eklat zwischen Barbarossa und Hadrian gewesen sein.
»Ich möchte doch näher erfahren«, soll Barbarossa in Sutri gesagt haben, »ob sich dieser Brauch auf Wohlwollen oder auf eine Verpflichtung zurückführt.« Diese Doppeldeutigkeit war entscheidend: War die Geste freiwillig, so war der König in der Rangordnung gleichberechtigt mit dem Papst und verneigte
sein Haupt nur zu Ehren Christi. War die Geste jedoch, wie der Papst argumentierte, verpflichtend, so erinnerte sie stark an das Verhältnis zwischen Lehnsherrn und Vasall. So augenscheinlich wollte sich Barbarossa nicht unterordnen.
Doch der König musste schnell einsehen, dass er mit seiner Weigerung kaum weiterkam. Kurz danach trifft er ein zweites Mal Papst Hadrian. Und diesmal leistet Friedrich den rituellen Dienst des Steigbügelhaltens und des Kniefalls – angeblich sogar »mit Freude«. Nur wenige Tage später wird er in Rom als erster Staufer vom Papst zum Kaiser gekrönt.
»DIE LUST DER WILDEN FREIHEIT«
Mailand und die Staufer, das ist die Geschichte einer erbitterten Feindschaft. Im Mythenschatz italienischer Nationalisten wirkt sie bis heute fort.
Von Hans-Jürgen Schlamp
Die Mailänder machten von Anfang an Probleme. Gerade erst war dem deutschen König Friedrich I. die römische Kaiserkrone versprochen worden, schon erreichten ihn Hilferufe aus Norditalien: Das reiche und arrogante Mailand drangsaliere seine Nachbarn. Lodi zum Beispiel, eine Stadt 30 Kilometer südöstlich der lombardischen Metropole. Sie dürften nicht einmal mehr einen eigenen Markt innerhalb ihrer Stadtmauern abhalten, müssten alles in Mailand kaufen, beklagten sich die Bürger von Lodi beim Kaiser.
Herrscheralltag, nichts Aufregendes, so schien es. Da ahnte Friedrich noch nicht, dass er schon bald zu immer neuen Feldzügen nach Norditalien aufbrechen würde. Da dachte er noch, es genüge, einen Boten nach Mailand zu schicken mit dem Befehl, in Lodi gefälligst den Markt wieder zuzulassen. Doch der kaiserliche Emissär erlebte Unerhörtes.
»Öffentlich und in allgemeiner Versammlung« verlasen die Mailänder Konsuln den Befehl des mächtigsten Mannes der Welt, schrieb ein Zeitgenosse nieder. »Ganz erregt von Zorn und Wut« warfen sie den Brief dann »mitsamt dem Siegel auf den Boden und zerknüllten und zertraten ihn mit ihren Füßen«. Friedrichs Gesandter musste die Stadt nachts, ohne die übliche ehrenhafte Verabschiedung, verlassen. Ein Eklat.
Am Hofe Barbarossas war man fassungslos über den Bericht des Emissärs. »Als aber der König und die gesamten Fürsten dies hörten, wurden sie von größtem Zorn und Schmerz bewegt, und diese Worte stiegen in ihren Herzen höher auf, als einer je glauben würde«, notierte der Geschichtsschreiber Otto Morena, Notar und zeitweilig Konsul in Lodi, voller Verständnis. »Wie ein Feuerfunke das ganze Haus anzündet, so entflammten diese Worte das Herz des Königs und aller Fürsten.« Denn die Zerstörung des kaiserlichen Siegels, der bildhaften Verkörperung von Autorität und Herrschaft, war in jener
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