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Die Staufer und ihre Zeit

Die Staufer und ihre Zeit

Titel: Die Staufer und ihre Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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schlechtes Gewissen mehr plagen musste.

    Aufrichtige Reue setzte häufig erst am Ende der Ritterkarriere ein. Bis dahin hatten viele Krieger Dutzende Menschen auf dem Schlachtfeld gemetzelt. Gegen Mitte vierzig zollten die meisten Männer dann ihrer Lebensführung Tribut. Alte Kriegsverletzungen mochten sich im Alter zur nagenden Pein auswachsen. Etliche der einst aufrechten Recken gingen nun gebückt von jahrelangen körperlichen Strapazen. Schlimmer noch machte sich die ungesunde Ernährung bemerkbar. Viele Ritter schütteten erhebliche Mengen Alkohol in sich hinein. Hinzu kam der Genuss fettigen Fleisches, das die Völler wohl auch deshalb stark würzten, um damit die Nebenerscheinungen beginnender Fäulnis zu überdecken.
    Angesichts des nahenden Endes und in Erwartung des göttlichen Strafgerichts wurden etliche Schwertträger plötzlich von Schuldgefühlen gepeinigt. Der Ritter und Diplomat Oswald von Wolkenstein, ehedem das Musterbild eines Raufboldes, jammerte als alter Mann: »Zum letzten Tag bin ich jetzt vorgeladen, und alle meine Sünden, zu einem Kranz geflochten, die werden mir nun präsentiert – ich muss die Rechnung dafür zahlen.«
    Noch radikaler rechnete der Ritter und Minnesänger Otto von Botenlauben mit seinem Leben ab. Er verkaufte sein Anwesen, um gemeinsam mit seiner Frau Beatrix ein Kloster zu gründen. Ein Chronist wusste nur Gutes über den einstigen Krieger zu berichten: »Er furet ein gaistliches Leben bis an sein ende.«

» WER FREVELND SEINEM STAND ENTSTEIGT«
    Harte Arbeit und unüberwindliche soziale Grenzen prägten den Alltag der Stauferzeit. Ganz unten in der Hierarchie rangierten die Bauern, sie waren meist arm und unfrei – aber ernährten Adel und Geistliche.
    Von Jan Puhl
    Ich sah ihn selbst, dem gilt die Mär,
Den Bauernsohn mit schmuckem Haar.
Des Meiers Helmbrecht Sohn er war,
Hieß Helmbrecht auch, dem Vater gleich.
    Ein hübscher Bengel, dieser Helmbrecht, und er hat Glück: Irgendwie kommt er zu einer schmucken Mütze, bestickt mit Türmen, Rittern, Helden und einer Schlachtszene vom Fall Trojas.
    »Nie ward bis zur Stund’ auf eines Bauern Schädelrund ein schönrer Farbenschmuck erblickt« , schwärmt der Dichter, der sich Wernher der Gärtner nennt. Die Zeitgenossen wussten, was Helmbrecht da trägt, ist eine Rittermütze. Geheuer ist das Wernher nicht:
    »Nein, dass ein dummer Bauer je durft’ eine solche Mütze tragen.«
    Niemand weiß heute genau, wer Wernher der Gärtner war. Er lebte wohl in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Bayern, in der Gegend am unteren Inn. Er war ein begnadeter Dichter und hinterließ zwei Handschriften seines Dorfepos »Meier Helmbrecht«. Es erzählt die Geschichte des jungen
Bauern Helmbrecht, der gegen den Rat seines Vaters auszog, ein Ritter zu werden, unter die Räuber gerät und am Ende mit der Schlinge um den Hals stirbt.
    Wernher macht kein Hehl aus seiner erzieherischen Erzählabsicht: Ein jeder soll Gottes Ordnung respektieren. Wer seinen Blick über die Standesgrenzen hinweg erhebt, aus Hoffart oder Großmannssucht, dem droht das Verderben. Sein Werk in Versform gewährt phantastische Einblicke in den Alltag der späten Stauferzeit – Bauernalltag: 90 Prozent der europäischen Bevölkerung lebten im frühen Mittelalter auf dem Land; diese Quote sank zum Ende des 13. Jahrhunderts nur geringfügig. Daran änderten auch die vielen neuen Städte nichts.
    An der Spitze der sozialen Ordnung standen theoretisch die Geistlichen. Sie hatten zu beten, doch traten sie auch oft genug als Herren kirchlicher oder eigener Güter auf. Viele religiöse Würdenträger entstammten dem Adel. Nur ein kleiner Bruchteil der Gesamtbevölkerung im Heiligen Römischen Reich gehörte diesem Stand an. Adlige trugen Waffen, sie waren die Machthaber. Am Boden der Pyramide rangierten die Bauern.
    Kein Wunder also, dass Helmbrecht nach oben wollte. Im Lauf der Stauferzeit nämlich hatte sich eine neue, quasi mobile Schicht herausgebildet, die Ritterschaft. Es waren Söhne adliger Abstammung, die womöglich ohne Erbe blieben; aber auch freie Gefolgsleute und Soldaten, die an den Adelshöfen zu Funktionsträgern im Herrschaftssystem avancierten. Sie entwickelten ihre eigenen Waffen und ihr eigenes Ethos, das der Ritter.
    In den Städten begannen unterdessen Handwerker, sich zu spezialisieren. Sie wurden mitunter reich und schlossen sich zusammen, um ihre Interessen gegenüber der Herrschaft zu vertreten.

    Helmbrechts Aufstieg nimmt seinen

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