Die Staufer und ihre Zeit
Eltern, in die Munt des Ehemannes über«, schreibt Hans-Werner Goetz. Der Mann hatte die Brautgabe, im Falle Gotelindes die drei Säcke mit Kostbarkeiten, häufig an die Familie seiner Zukünftigen, erst im Spätmittelalter an sie selbst zu zahlen.
Die Hochzeit war zunächst ein weltlicher, durch Zeugen abgesicherter Rechtsakt. Ein Priestersegen war in der Stauferzeit aber schon lange üblich. Nach der »Trauung« folgte die »Heimführung« der Braut in das Haus des Bräutigams. Öffentlich war auch die »Beschreitung« im Ehebett, wo die Verwandten den Brautleuten wohl noch schnell letzte Ratschläge mitgaben, wie Goetz schreibt. Die mögen sie nötig gehabt haben, denn das Mindestalter für die Ehe betrug laut kirchlichem Recht 14 Jahre für den Mann, 12 für die Frau.
Mit dem wachsenden Einfluss der Kirche gewann die voreheliche Keuschheit – vor allem der Braut – an Bedeutung. Sexuell betätigen durften sich nur Eheleute mit dem Ziel, Kinder zu zeugen. Und auch die Praktiken versuchte die Kirche zu reglementieren. Neben vielem anderen galt zum Beispiel die Rückenlage des Mannes als widernatürlich und war mit einer Buße von 40 Tagen belegt. Bis zu sieben Jahre Buße stand auf »sodomieartigen« Oral- oder Analverkehr. Sündig waren auch Versuche, eine Empfängnis zu verhüten oder den Partner mit allerlei Zaubermitteln sexuell zu stimulieren. Dazu experimentierten Frauen mit Kräutersäften oder mischten ihren Männern Menstruationsblut ins Essen.
Ehebrecher wurden hart bestraft, vor allem, wenn der Ehebruch zwischen Angehörigen verschiedener Stände stattfand. Einer Freien, die sich mit dem Knecht einließ, drohte mancherorts sogar der Tod. Auf der anderen Seite hatten Kinder aus solchen Verbindungen durchaus ein Recht darauf, versorgt zu werden. Uneheliche Königssöhne konnten den Thron nicht erben, aber durchaus hohe Ämter erreichen. Die ärmeren Stände regulierten die Familienplanung, indem sie überzählige Kinder gleich nach der Geburt vor Klostertoren aussetzten.
Gotelind und ihr Lämmerschlind feiern eine rauschende Hochzeit mit den neuen Freunden Helmbrechts. Einer aus der Räuberbande, »hoch an Jahren«, nimmt das Jawort ab, die Spießgesellen Helmbrechts bedienen das junge Paar beim Festessen. Ein Kerl namens »Schlickenwidder« gibt den Mundschenk, der »Höllensack« führt die Gäste zur Tafel, »Kühefraß« betätigt sich als Küchenchef.
»Sie leerten manche Schüssel
Und manchen bauchigen Pokal
Bei jenem üppigen Hochzeitsmahl.«
Die jungen Eheleute, die sich gerade kennengelernt haben, sind bereits in Liebe zueinander entbrannt:
»Mit artigen Worten Lämmerschlind
Schoß Pfeile gegen Gotelind
Voll Übermuts. Und Stück für Stück
Gab sie’s nach Weibesart zurück.«
Die Zeitgenossen hätte das nicht verwundert. Die Liebe galt nicht als Voraussetzung der Hochzeit, sondern als Ergebnis einer gelungenen Ehe.
Die Freude der frisch Getrauten währt nicht lange. Noch während der Feier überwältigt der »Richter« mit fünf Schergen die zehnköpfige Räuberbande. Wernher der Gärtner sagt nicht, wer dieser Richter war. Es könnte der Anführer einer Wache sein, die ein Landesherr ausgeschickt hat, um die
Räuberbande dingfest zu machen. Der Trupp ist Gericht und Hinrichtungskommando in einem. Gewaltenteilung gab es noch nicht. Der Landesherr verhängte Recht, er urteilte selbst oder ließ Untergebene, wie jenen »Richter«, urteilen und die Strafe vollstrecken.
Neun Männer, darunter der Bräutigam, werden aufgehängt. Gotelind wird das Brautkleid heruntergerissen. Den zehnten »verschont« die Justiz nach altem Brauch: Helmbrecht werden die Augen ausgestochen, eine Hand und ein Fuß abgehackt – als Rache, weil er die Mutter und den Vater missachtet hatte, vermerkt Wernher der Gärtner genüsslich.
Das Mittelalter kannte ein abgestuftes System von Strafen. Sie wurden nach mehr oder weniger formalisierten Prozessen verhängt. Je höher ein Delinquent im Ständesystem rangierte, desto bessere Chancen hatte er, ein faires Verfahren zu bekommen. Trotzdem war das Justizsystem des Mittelalters weniger blutrünstig, als ihm heute allgemein nachgesagt wird. Viele Strafen waren sogenannte Ehrenstrafen. Der Verurteilte wurde öffentlich gedemütigt. Er musste zur Buße eine lächerliche Schandmaske tragen oder wurde an den Pranger gestellt. Gegen Adlige und Bürger wurden immer häufiger Geldstrafen verhängt.
Freiheitsstrafen kamen erst in der frühen Neuzeit auf. Kaiser und
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