Die Staufer und ihre Zeit
Helmbrecht mordet, plündert und brandschatzt. Meist sind nicht adlige Feinde seine Opfer, sondern seine Standesgenossen, Bauern, wie er eigentlich einer ist.
Es war immer das einfache Volk, das litt, sei es unter der Gewalt marodierender Banden oder den Händeln der Herren. Das Mittelalter kannte kein Gewaltmonopol, nur gelegentlich versuchten die Oberen, durch einen »Landfrieden« etwas Ordnung zu schaffen. Eigentlich war der adlige Herr verpflichtet, seinen hörigen Bauern Schutz und Schirm zu gewähren. Er sollte sie gegen raubendes Gesindel verteidigen, Streit schlichten und Recht sprechen. Doch das war in der
Realität schwer umzusetzen, die Wege durch undurchdringliche Wälder waren kaum zu kontrollieren, entlegene Dörfer praktisch nicht zu schützen.
Oft genug mussten Bauern die Willkür der Obrigkeit ertragen. Wer einem harten, ungerechten Herrn diente, hatte keine Beschwerdeinstanz. Trotzdem verhielt sich der unterste Stand überraschend ruhig, begehrte kaum auf, die Herrschaftsverhältnisse wurden nicht wirklich in Frage gestellt. »Es gab soziale Spannungen, aber keine Klassenkämpfe«, erklärt Goetz. Die Ständeordnung wurde nicht prinzipiell als ungerecht empfunden, Konflikte gab es meist, wenn die Herren den Untertanen allzu viele Extralasten zumuteten.
Nach einem Jahr kommt Helmbrecht hoch zu Ross ins väterliche Dorf zurück. Die Eltern erkennen ihn kaum, die Raubzüge haben ihn reich gemacht. Was die Dörfler besonders irritiert: Er grüßt angeberisch mit ein paar Fetzen Böhmisch (»Dobry ytra«) und Latein. Die meisten Bauern verließen im Mittelalter kaum jemals ihren Hof, sie waren unfrei und konnten nicht gehen, wohin sie wollten. Fremde Sprachen lernten die Adligen, die Kleriker vor allem Latein.
Helmbrecht bringt seinem Vater ein Beil mit, »so trefflich, wie es wohl kein Schmied geschmiedet seit geraumer Zeit«, einen Wetzstein und eine Sense. Das waren Kostbarkeiten, denn auf dem Dorf gab es kaum Handwerker. Der Bauer war sein eigener Architekt, Tischler, Dachdecker und Werkzeugmacher. Handwerker, die ausschließlich von ihrer Kunstfertigkeit lebten und nicht auch noch Bauern waren, gab es vor allem in den Städten.
Diese bildeten sich im Mittelalter zumeist um einen Handelsplatz oder eine Kirche herum, häufig buchstäblich im Schatten einer Feste. Der Burgherr war zunächst fast überall
auch der Stadtherr. Doch sah er sich einer wachsenden Schicht wohlhabender und damit selbstbewusst werdender Händler und Handwerker gegenüber.
Gerbte und verkaufte zunächst der Metzger auch noch das Leder seiner Schlachttiere, spezialisierte sich das Handwerk immer mehr. In größeren Städten schlossen sich die Glockengießer, Tischler, Schmiede, Müller, Bäcker, Glaser und Töpfer in Bruderschaften und später Zünften zusammen. Sie kontrollierten die Qualitätsstandards ihrer Produkte, hielten die Konkurrenz klein und traten dem Grundherrn als Verband gegenüber. Sie leisteten gemeinsam Abgaben und Dienste, manchmal sogar an der Waffe. Zünfte erstritten für sich als Verband politische Mitbestimmungsrechte im Stadtregiment und für ihre Mitglieder Bürgerrechte. Wer der Zunft nicht angehörte, durfte in der Stadt weder seinen Beruf ausüben noch seine Produkte verkaufen. Die Zunft war ein Kartell, doch sie schaffte auch den Schutzraum, handwerkliche und technische Fortschritte zu machen und Ausbildung zu organisieren.
Helmbrecht hält es im Vaterhaus gerade mal sieben Tage aus – und stiftet weiteres Unheil. Er bahnt die Ehe seiner Schwester mit einem seiner Spießgesellen an. Lämmerschlind nennt sich der Halunke. Für ihn hält Helmbrecht bei seinem Vater um Gotelindens Hand an:
»Gerne dem Freunde Lämmerschlind
Hätt’ eure Tocher Gotelind
Zur Gattin ich gegeben.
Ihr wär’ das beste Leben
Erblüht, das je auf dieser Erd’.«
Lämmerschlind verspricht drei Säcke »schwer wie Blei, gefüllt mit Schätzen mancherlei« . Zum Beispiel: Leinen, die »Elle fünfzehn Kreuzer wert« , Pelze, Schleier.
Gotelind erliegt dem Werben, ohne dass sie Lämmerschlind je gesehen hat. Sie spricht zum Bruder:
»Schaff ihn mir zum Manne:
Dann prasselt meine Pfanne,
Dann ist gekeltert mir der Wein.«
Liebesheiraten waren im Mittelalter nicht nur bei Bauern eine Seltenheit. Die Ehe diente der Versorgung und wurde von den Eltern abgesprochen. Doch Helmbrecht und Gotelind übergehen Vater und Mutter einfach. »Mit der Heirat ging die Frau aus der Munt, also dem Schutz wie der Herrschaft der
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