Die Staufer und ihre Zeit
Rangunterschiede hinweg verbindet. Zum Zeichen ihrer neu erlangten Ehre verteilen die jungen Recken großzügig Geschenke. Abermals folgen festliche Tafeln und Reiterspiele, an denen auch Barbarossa selbst teilnimmt, ein Ritter unter Rittern.
Gekämpft wird auf den Wiesen am Mainzer Rheinufer nicht. Erst nach dem Hoffest sollte es bei einem ritterlichen Turnier richtig zur Sache gehen, ein Stück flussabwärts in Ingelheim. Aber das »Torneamentum« wird abgesagt, die Kaisersöhne müssen bei anderer Gelegenheit zeigen, was sie im Reiterkampf zustande bringen.
Grund für die Absage ist wahrscheinlich ein gewaltiger Sturm, der am Dienstag über die Festgesellschaft hereinbricht. Einige Gebäude der hölzernen Pfalz stürzen ein, Prunkzelte liegen zerfetzt im Gras, mehrere Menschen kommen ums Leben. Ein Naturereignis, sicher. Aber nur Zufall? Manche sehen darin auch einen »göttlichen Ratschluss«, mit dem der Vater im Himmel den Hochmut seiner prunkliebenden Kinder bestraft.
FEUCHT, KALT UND DUNKEL
In der Stauferzeit boomte der Burgenbau. Zunehmend aus Stein errichtet, wurden die Burgen zu schwer einnehmbaren Festungen. Aber das Leben hinter den Mauern war hart.
Von Joachim Mohr
Herzog Friedrich II. von Schwaben, genannt Monoculus, der Einäugige, pflegte eine einfache, aber effiziente Strategie, seine Herrschaft auszuweiten: Er baute Burgen.
Die Karte seines Reiches wies ihm, dem Vater Barbarossas, dabei den Weg: »Er folgte immer dem Rheinlauf und baute dann an geeigneter Stelle eine Burg, die das umliegende Land beherrschte«, beschreibt der zeitgenössische Chronist Otto von Freising den Burgeneifer des Staufers. »Dann zog er weiter und errichtete eine andere, so dass ein geflügeltes Wort von ihm sagte: ›Herzog Friedrich zieht stets am Schweif seines Pferdes eine Burg mit sich.‹«
Welche bedeutende Rolle die Burgen im alltäglichen Kampf um Macht und Einfluss in dieser Zeit spielten, belegt ein Schreiben des Staufer-Königs Philipp, jüngster Sohn Barbarossas, an den Papst: »Unter den Reichsfürsten war niemand reicher, mächtiger, angesehener als ich«, prahlt er darin. »Überall hatte ich weite Besitzungen, verfügte über viele starke und uneinnehmbare Burgen.«
Zwar konnte Philipp sich in seinen Festungen nicht davor schützen, 1208 von einem bayerischen Pfalzgrafen heimtückisch ermordet zu werden. Doch hinterließ er seiner Tochter Beatrix, die seinen Konkurrenten um die Kaiserkrone
Otto IV. heiratete, eine überaus stattliche Mitgift, wie ein Chronist berichtet: Otto aus dem Haus der Welfen »nahm sie als Gattin auf mit ihrem väterlichen Erbe, mit vielen Reichtümern und mit dreihundertfünfzig Burgen«.
Staufer-König Philipp war unzweifelhaft Burgen-Großgrundbesitzer. Die Zahl 350 mag nicht exakt sein, aber es kann als sicher betrachtet werden, dass der staufische Herrscher Anfang des 13. Jahrhunderts über ein Netz von mehreren hundert Festungen verfügte.
Nicht nur der König allerdings gebot über wehrhafte Bastionen. Viele Adlige und sogenannte Ministeriale besaßen eigene Burgen. Schätzungen für den deutschsprachigen Raum gehen von 10 000 oder mehr mittelalterlichen Burganlagen aus. Eine stattliche Feste bot beim permanenten Zwist unter den Adligen und Königsgeschlechtern klare militärische Vorteile: Sie war eine ernstzunehmende Drohkulisse und gleichzeitig eine gute Verteidigungsbasis.
Die Ära der Staufer steht in der europäischen Geschichte als die Blütezeit des Burgenbaus: Gesellschaftliche Umbrüche und neue Techniken sorgten für ein wahres Baufieber, eine Hochkonjunktur der massigen Wehranlagen.
Gegenüber einer immer wieder schwachen Kaiserherrschaft wollte sich der Hochadel emanzipieren und selbst Macht ausüben. Mit militärischen Anlagen versuchten er und die geistlichen Fürsten ihre eigenen Herrschaftsansprüche im wahrsten Sinne des Wortes zu untermauern – durch eine Burg.
Außerdem wuchs die Zahl der Burgen und Güter, die von Ministerialen oder abhängigen Adelsfamilien im Auftrag des Königs verwaltet wurden. So wurden befestigte Bauernhöfe zu kleinen Burgen ausgebaut, unscheinbare Anlagen umfangreich erweitert und aufgerüstet – oder eben gleich völlig neue Festungen errichtet.
Die Bastionen versinnbildlichten das wachsende Selbstbewusstsein des Adels im Feudalstaat: Ganz oben, zweifelsohne, der Kaiser von Gottes Gnaden, dann die meist adlige Oberschicht, und unten, nun ja, die Masse der unfreien Untertanen.
Der Burgenbau im Hochmittelalter
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