Die Staufer und ihre Zeit
hinuntergeleitet. Diese Aborte waren aber nicht nur eine zugige Angelegenheit, sondern im Konfliktfall auch ein Sicherheitsrisiko. So gelang es bei der Belagerung des englischen Château Gaillard in der Normandie durch den französischen König Philipp II. einigen robusten Angreifern, vermutlich durch eine Abtrittsschachtöffnung in das Innere der Burg vorzudringen. Die schmutzige List leitete den Fall der Burg ein.
Doch auch unbedrängt von forschen Feinden fanden Burgbewohner auf den Toiletten oft keine Ruhe – eine Tür war häufig nicht vorgesehen. Gelegentlich mangelte es damaligen Bauten auch an der nötigen Stabilität. Auf dem Erfurter Hoftag 1184 rasselte die vielköpfige Gefolgschaft König Heinrichs VI. aus dem ersten Stock der Dompropstei in die
Tiefe, weil die hölzernen Böden einstürzten. Heinrich VI. hatte wahrhaft königliches Glück: Er saß in einer steinernen Fensternische, musste aber mitansehen, wie Dutzende seiner besten Männer in der Latrinengrube landeten und eines jämmerlichen Todes starben.
Freilich war das Leben eines Burgherrn auch zu kriegsund unfallfreien Zeiten alles andere als annehmlich. Einhellig klagen etwa der Ritter und Dichter Oswald von Wolkenstein ebenso wie sein Ritterkollege, der Humanist Ulrich von Hutten, über das miese Dasein auf ihren Festungen. Auch wenn ihre Schilderungen aus späteren Zeiten stammen, treffen sie sicherlich auf die Stauferjahre zu.
Es sei dort nicht angenehm, er fühle sich eingeengt durch Viehställe, Waffenschuppen, Pulverkammern und Geschützstände; alles ist voller Pech, Schwefel und Kriegsgerät, lästert von Hutten 1518 in einem Brief über den Alltag auf seiner Burg Steckelberg: »Überall stinkt es nach Schießpulver und dann die Hunde und ihr Dreck, auch das – ich muss es schon sagen – ein lieblicher Duft!«
Auch Oswald von Wolkenstein hasste die Enge und den Lärm auf seiner kleinen Burg Hauenstein in Südtirol. Sein Leben sei ein Elend, schimpft er, er müsse sich ständig Sorgen um das tägliche Brot machen, sähe nichts als »Kälber, Geißen, Böcke, Rinder und knorrige Leute, schwarz und hässlich und voller Rotz im Winter«. Niemand sei da, mit dem er sich unterhalten könne, klagt er. Von wegen holdem Minnelied – er höre nur »Eselgesang und Pfauengeschrei«.
ZWÄNGEN UND SCHNÜREN
Die mittelalterliche Mode diente auch als Standesmerkmal.
Von Bettina Musall
Im Hochmittelalter entdeckte der herrschende Adel die Kleidung als Machtinstrument: Die Art, sich anzuziehen, sollte die Stände und Gruppen auf den ersten Blick voneinander unterscheiden.
Reich oder arm, Edelfrau, Bäuerin oder Tagelöhnerin, König, Ritter oder Handwerker – nicht nur Juwelen oder Lumpen markierten die Klassenzugehörigkeit: Stoffe, Farben und Schnitte sollten signalisieren, wer und was jemand war. Nur die begüterte Aristokratie verfügte über Mittel, um mit einem bis ins frühe 12. Jahrhundert unbekannten Kleiderluxus zu prunken. Goldplättchen, Perlen und Schmuckknöpfe veredelten orientalische Brokate, flandrische Wollstoffe und feinstes Leinentuch, manchmal so reichlich, berichtet der Chronist Konrad von Würzburg, dass die Kleider »von oben bis unten von Gold strotzen und stehen«.
In Kleiderordnungen legten Könige und Kaiser fest, wer was tragen durfte. »Keine vornehmere Kleidung als graue und billigere blaue« war etwa den Bauern nach Artikel 71 im Bayerischen Landfrieden aus dem Jahr 1244 gestattet, »und nur rindsledernes Schuhwerk«. Die Kleider niederer Stände durften durch »Keilstücke nur an den Seiten« gerade weit genug zum Arbeiten sein. Schwingende Röcke »mit vierundzwanzig oder dreißig Keilstücken« waren jener Oberschicht vorbehalten, die Bewegungsfreiheit allenfalls zum Reiten,
Jagen und Tanzen benötigte. Allerdings ist die Kostümgeschichte auch voll von Klagen, dass sich kaum jemand an die schwer zu kontrollierenden Vorschriften hielt.
Was Volk und Herrschaft etwa zur Zeit der Staufer tatsächlich trugen, lässt sich nur anhand zeitgenössischer Kunstwerke rekonstruieren. Außer ein paar Stoffresten und fadenscheinigen Museumsstücken herrschaftlicher Garderobe ist nicht viel erhalten. Vornehmlich stützt sich die Kostümforschung auf das Zeugnis von Hofdichtern und Minnesängern, deren Wortgewalt in Textilkunde und Schneiderkunst offenbar zum Berufsbild gehörte.
So ergötzte sich Konrad von Würzburg detailliert an einem »Hemd aus Seide«; derart eng schmiegte es sich offensichtlich um den
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