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Die Staufer und ihre Zeit

Die Staufer und ihre Zeit

Titel: Die Staufer und ihre Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Vater Friedrichs des Großen, ließ das Mittelalter aus dem Geschichtsunterricht für den Thronfolger streichen. Der größte Denker der Aufklärung im 18. Jahrhundert, Immanuel Kant, befand: »Während dieser Zeit ward die Religion zusamt den Wissenschaften und Sitten durch elende Fratzen entstellet«, und er konstatierte aus seinem nie verlassenen Welthorizont Königsberg heraus eine »fast gänzliche Zerstörung« des menschlichen Genies.
    Für Friedrich Schiller beherrschte »der niedergedrückte Geist nordischer Barbaren« das Mittelalter. Und der wirkmächtige Idealist Georg Wilhelm Friedrich Hegel urteilte über die bestimmende Denkform jener Zeit: »Die Scholastik ist die gänzliche Verwirrung des Verstandes in dem Knorren der nordisch-germanischen Natur.«
    In solch schroffen Zeugnissen steckt wohl mehr Unkenntnis als Verachtung eines Mannes aus dem Norden, der die abendländische Vernunftkultur gegen Ende der Stauferzeit wie kein anderer beschleunigt hat: Albertus Magnus, um
1200, vielleicht schon 1193 im schwäbischen Lauingen an der Donau geboren und der einzige Universalgelehrte im 13. Jahrhundert, der bereits zu Lebzeiten mit dem Ehrentitel »der Große« bedacht wurde. Tatsächlich ist er der erste deutsche Philosoph von Bedeutung.
    Dieser »Doctor universalis« führte den methodischen Zweifel, die systematische Beobachtung und die experimentelle Überprüfung in die westliche Wissenschaft ein, trug zur Säkularisierung des Denkens bei, erkundete die Natur im Wechselspiel von Erfahrung und kritischem Denken und betrat durch den dynamisch-schöpferischen Gebrauch der Vernunft auf fast schon revolutionäre Weise den Weg in die Moderne.
    Natürlich hatte er Vorläufer, den aus Frankreich stammenden Peter Abaelard (1079 bis 1142) zum Beispiel, der durch seine traurig-schöne Liebesgeschichte mit Héloise ebenso berühmt wurde wie durch seinen produktiven Geist. Für ihn hieß »Christ sein Logiker sein«; gefürchtet war er für seine Disputierkunst: »Durch den Zweifel nämlich gelangen wir zur Untersuchung, und untersuchend erlangen wir die Wahrheit.«
    Auch der Erzbischof Anselm von Canterbury (1033 bis 1109), Primas der englischen Kirche und »Vater der Scholastik« , gehört in diese Ahnenreihe, vor allem durch seine Formeln »credo ut intelligam« (ich glaube, damit ich verstehe) und »fides quaerens intellectum« (der Glaube sucht die Vernunft) – ein radikaler Gegensatz zum »credo quia absurdum« (ich glaube, weil die Vernunft es nicht fassen kann) des frühen römisch-christlichen Theologen und Polemikers Tertullian.
    Die Scholastik sah es ja als ihre zentrale Aufgabe an, so weit wie möglich die Übereinstimmung von kirchlicher Lehre mit philosophischer Vernunft aufzuzeigen. Gerade mit diesem
Versuch und ihrer systematischen Lehrmethode von Textauslegung, Fragestellung und anschließender Debatte von Pro und Contra zerrte sie die Dogmen der Kirche vor den Richterstuhl der Rationalität und forderte neue Spannungen und Konflikte heraus. Der Gebrauch der Vernunft allein (sola ratione) lehrte, »die Welt anders zu sehen als zuvor« (Fried). Die Scholastik schuf mithin, anders als Hegel dachte, jenes Wissensvertrauen, das den Anspruch des christlichen Europa auf Mündigkeit erst begründete.
    Im Zusammenspiel von Beobachtung, Experiment und logisch kontrollierter Ableitung bildete sich so im Laufe des 13. Jahrhunderts »das umfassendste Konzept von Rationalität vor Descartes« heraus, so der Philosophiehistoriker Kurt Flasch. An den jungen Universitäten, die jetzt überall in Europa gegründet wurden, gewährte man eine gewisse Gedankenfreiheit schon aus Übungsgründen für die Disputation. »Die Neugier gibt den Anstoß zur Forschung«, erkannte Albertus Magnus, und der wache Intellekt mit seinen endlosen Ketten von Fragen drängte den erstarrten Glauben in die Defensive.
    Besonders die Naturwissenschaft, Spezialität des an Botanik und Zoologie höchst interessierten Albertus, löste sich von der Religion: »Im Hinblick auf die Natur haben wir nicht zu erforschen, wie Gott der Schöpfer nach seinem vollkommen freien Willen sich der Geschöpfe zum Wunder bedient, das seine Allmacht verkündet, sondern vielmehr was in der Natur aufgrund natürlicher Ursachen auf natürliche Weise geschehen kann.« Gelegentlich bewegte er sich fast am Rande des Ketzertums: »So erwidere ich, dass mich Gottes Wunder nichts angehen, sobald ich mich mit der Natur befasse.« Damit führte Albert vor, dass auch

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