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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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    Vorsichtig lugte Elisabeth um die Gangbiegung. Es war niemand zu sehen, was jedoch nicht viel bedeuten mochte. Die Wahnsinnigen waren überall, verbargen sich in den Schatten und schlugen erbarmungslos zu. Erst vor wenigen Minuten hatte Oberleutnant Ashbrooke seine Zähne in den Hals eines bedauernswerten Stewarts geschlagen. Das Blut war über den glänzenden Boden der Kombüse gespritzt, während Keneth Ashbrooke verzückt gelächelt hatte. Das darauf einsetzende Schmatzen und Schlürfen würde sie wohl niemals wieder vergessen können.
     
    Mit einem Kopfschütteln vertrieb Elisabeth die grauenvolle Erinnerung. Den Hand-Tesla erhoben schritt sie voran. Eine Glühbirne flackerte und Schatten tanzten über die Wände. Das Kommandodeck war in gespenstische Stille getaucht. Einzig das Dröhnen der Dampfturbinen, die das Luxalin erhitzten, war allgegenwärtig. Das Schott zur Brücke schälte sich aus dem flackernden Licht. Die Konsolen in den Wänden waren von einem der Wahnsinnigen zerschmettert worden. Schalter, Knöpfe und Hebel kullerten über den stählernen Untergrund, getrieben durch das Vibrieren des Decks. Die Gemälde der königlichen Familie lagen aufgeschlitzt am Boden, von den Rahmen waren nur Bruchstücke geblieben.
    Ihre Hände zitterten, als Elisabeth ihren Zugangscode mittels der Schieberegler eingab, dann zog sie einen Hebel nach unten. Mit einem Rumpeln teilte sich das Schott in der Mitte und beide Hälften fuhren quietschend in die Wand. Sofort richtete sie den Hand-Tesla auf die einzige Person, die sich, wie erwartet, in dem Raum befand: der Kapitän.
     
    Alfred Windsor blickte aus geröteten Augen zu ihr auf. Sein linker Arm hing schlaff am Körper herab, eine Blutlache hatte sich unter seinem Sessel ausgebreitet. Sein väterliches Lächeln entgleiste zu einer Grimasse. Mit schwerer Stimme sprach er: »Ah, Elisabeth. Es wundert mich nicht, dass Sie als letzte stehen.«
    »Sir«, hauchte sie. »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass auch Oberleutnant Ashbrooke betroffen ist.« Es mutete wie ein Wunder an, dass der Kapitän nicht ebenfalls zu einem Wahnsinnigen mutiert war. Bedächtig schob Elisabeth den Hand-Tesla in das Etui an ihrem Gürtel, bevor sie mit zwei schnellen Handgriffen das Brückenschott schloss und verriegelte. "Was können wir tun?«
    »Tun?«, echote Alfred Windsor. »Nichts. Die Puderdosen haben uns hereingelegt.«
    Elisabeth nickte schwer. Das war ihr längst klar. Trotzdem musste es doch etwas geben, das sie von hier aus tun konnten. Die Navigationskonsole war zertrümmert, die Beine von Leutnant Schwarzmann schauten darunter hervor. Eine Flucht war unmöglich. Die Waffen konnten nicht verwendet werden, da niemand mehr da war, um die Torpedo-Schächte und die Flechette-Werfer zu befüllen.
    Es gibt immer einen Ausweg, er muss nur gefunden werden , hallte das Credo ihres Vaters in ihrer Erinnerung wieder. Vermutlich war er aber nie Lichtjahre von der Erde entfernt mit Wahnsinnigen auf einem Sternenschiff eingesperrt gewesen.
     
    »Ich grüße Sie«, hallte eine Stimme über die Brücke.
    Der gewölbte Schwarz-Weiß-Bildschirm, der gegenüber dem Kommandosessel an der Wand hing, erwachte zum Leben. Interferenzstreifen waberten über das Bild. Die Graham-Bell-Verbindung zu dem anderen Raumschiff war instabil.
    Elisabeth kannte die alte Frau nicht, die ihnen entgegenblicke. Sie mochte achtzig sein, vielleicht auch neunzig. Zwar lächelte sie, doch ihre Augen blieben dabei unnatürlich kalt. Die Zähne waren gelb und schief, das graue Haar fettig und zu einem altmodischen Dutt hochgesteckt. »Sie wollen sich also widersetzen«, keifte die Alte. Mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand, dessen Fingernagel schwarz lackiert war, stach sie in Richtung des Aufnahmeobjektivs. »Aber was können Sie schon ausrichten? Nichts.«
    Tränen rannen aus den Augen von Alfred Windsor. Elisabeth hatte den alten Bären noch nie weinen sehen. Es war ein ernüchternder Schock. Er nuschelte etwas in seinen braunen Vollbart, das sie jedoch nicht verstand.
    Ein Lachen hallte über die Brücke. »Kommen Sie schon Kapitän, ihrem wertvollen Schiff wird schon nichts geschehen. Ich erwarte Sie.« Eine ölige Flüssigkeit floss aus dem Mund der Alten. Sprenkel davon flogen auf das Aufnahmeobjektiv.
    »Nein, ich will nicht«, wimmerte Alfred Windsor.
    Die Alte antwortete nur mit einem weiteren hässlichen Lachen und das schwarze Öl spritzte erneut. Ein Schauer rann über Elisabeths

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