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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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al-Hussein«, sagte Ahmad steif und deutete eine leichte Verbeugung an. »Allah möge Euch Eure Großherzigkeit hundertfach vergelten.« Noch bevor Ali etwas erwidern konnte, hatte der Großwesir auch schon das Zimmer verlassen und war dem Jungen gefolgt.
    Ali trat ans Fenster.
    Von hier aus konnte er die Straße gut überblicken. Erleichtert atmete er auf, als die Sänfte mit Ahmad al-Yahrkun endlich aus seinem Blickfeld verschwunden war. Dennoch hatte er ein ungutes Gefühl. Irgendetwas hatte den Großwesir gekränkt. Es wäre sonst nie zu diesem Wutausbruch gekommen. Ali war sich nicht sicher, was das zu bedeuten hatte. Im Gegensatz zu Nuh II. wurde Ahmad al-Yahrkun niemals zornig oder ausfallend. Aber so schrecklich die Wutanfälle des Emirs waren, so schnell vergaß er auch wieder seinen Zorn. Ahmad hingegen vergaß nichts. Ali starrte auf die Stelle, wo er eben noch die schmächtige Gestalt des Großwesirs gesehen hatte, und biss sich auf die Unterlippe. Er hatte Ahmad al-Yahrkun beleidigt, und dafür würde sich der Großwesir an ihm rächen – jetzt oder später, vielleicht sogar erst in einigen Jahren. Aber er würde es auf keinen Fall vergessen.

13
     
     
     
    Beatrice saß allein in ihrem Zimmer im Schneidersitz auf dem Bett, hatte einen dünnen Baumwollfaden an einen der Bettpfosten gebunden und war damit beschäftigt, an den freien Enden chirurgische Knoten zu machen – immer einen nach dem anderen, mal mit rechts, mal mit links. Sie kam sich dabei vor, als befände sie sich wieder in ihrer Studienzeit. Da hatten sie alle in den Vorlesungen und in der Mensa gesessen und mit Wollfäden oder Nähgarn die verschiedenen Knoten geübt. Sie hatte sogar ihrer Freundin ein auf diese Art geknüpftes Armband aus dünnem Leder zum Geburtstag geschenkt. Beatrice stieß einen Seufzer aus. Damals waren sie alle ein bisschen verrückt gewesen, keiner von ihnen hatte es erwarten können, wirklich im OP zu stehen. Und dann war es endlich so weit, und sie sollte zum ersten Mal eine Hautnaht machen. Sie konnte sich noch genau daran erinnern. Es war eine Sprunggelenksfraktur gewesen, und ihre Hände hatten so gezittert, dass ihr fast der Nadelhalter in das Operationsgebiet gefallen wäre. Jetzt machte sie chirurgische Knoten, um die Langeweile totzuschlagen und ihre Finger beweglich zu halten. Dabei war es unwahrscheinlich, dass sie je wieder die Gelegenheit haben würde, Gefäße abzubinden und Wunden zu nähen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen.
    »Das muss aufhören, Beatrice, und zwar sofort! Du musst endlich etwas dagegen tun!«
    Überrascht sah Beatrice Mirwat an, die wie eine Furie in ihr Zimmer gestürmt kam. Es war das erste Mal seit vielen Tagen. Sie, die seit einiger Zeit als unzertrennlich galten, hatten schon lange kein Wort miteinander gewechselt. Seit Kurzem ging Mirwat Beatrice sogar regelrecht aus dem Weg. Sie nutzte das Bad zu ungewöhnlichen Zeiten, blieb während der »Stunde der Frauen« in ihrem Gemach, statt im Garten spazieren zu gehen, und an den gemeinsamen Mahlzeiten der Frauen nahm sie auch kaum noch teil. Und wenn sie sich durch Zufall im Palast begegneten, kehrte Mirwat ihr schon von Weitem den Rücken zu. Beatrice hatte es mittlerweile aufgegeben, den Kontakt zu Mirwat zu suchen. Dennoch ärgerte sie sich über dieses Verhalten. Vielleicht war Mirwat nur eifersüchtig, denn seit sie sich gegen den Emir zur Wehr gesetzt hatte, wurde Beatrice von den jüngeren Frauen regelrecht verehrt. Überall, wo sie erschien, stand sie im Mittelpunkt, und manche der Jüngeren ahmten ihre Frisur, ihre Kleidung, ja, sogar ihre Gesten nach. Mirwat hingegen, um die sich sonst immer alle geschart hatten, wurde kaum noch beachtet.
    »Mirwat, verzeih, aber ich habe dein Klopfen wohl überhört«, sagte Beatrice kühl.
    Mirwat machte eine abwehrende Geste. »Ich habe nicht angeklopft. Doch das ist jetzt nicht wichtig. Ich…«
    »Danke, mir geht es recht gut«, unterbrach Beatrice sie. Sie fühlte sich von der Freundin im Stich gelassen, und sie war nicht bereit, das ohne Weiteres zu vergessen, nur weil Mirwat sich dazu herabließ, wieder mit ihr zu sprechen. »Die Dunkelhaft hat mir zwar zugesetzt, aber zum Glück hatte ich ja eine treue Freundin an meiner Seite, die mich nach meiner Rückkehr wiederaufgebaut hat.«
    »Mitleid oder Bewunderung wirst du von mir nicht bekommen«, entgegnete Mirwat herausfordernd. »Du hast diese Strafe verdient.«
    »Wie bitte? Ich glaube, ich habe mich verhört.«
    »Du hast

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