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Die Steine der Fatima

Die Steine der Fatima

Titel: Die Steine der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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dieser Welt ist sehr eingeschränkt. Ich will damit nicht sagen, dass sie dumm ist. Mirwat weiß genau, was sie will und wie sie es bekommen kann. Aber es existiert nur ihr Leben, so wie sie es führt. Alles andere, was außerhalb ihrer eigenen Welt geschieht, sind nichts als Geschichten, Märchen, die man sich anhört, vor denen man sich vielleicht fürchtet oder über die man lacht. Aber sie sind nicht real. Sie begreift einfach nicht, dass viele Frauen hier im Harem ein zutiefst unerfülltes Leben führen. Sie selbst ist glücklich und liebt Nuh II. und deshalb müssen auch alle anderen Frauen so empfinden. Das ist Mirwats Sicht der Welt.« Sekireh seufzte. »Aber dieses Problem ist keinesfalls neu. Es ist eine Tatsache, dass selten die besten Männer auf dem Thron sitzen. Junge, schöne, wohlgestaltete Prinzen gibt es eigentlich nur in den Geschichten des Märchenerzählers auf dem Bazar. Wenigstens wissen sich die meisten Frauen zu helfen.«
    Beatrice sah Sekireh erstaunt an. »Aber…«
    »Es fällt dir wohl schwer, mir zu glauben?« Sekireh lachte. »Nuh II. ist zum Glück nicht der einzige Mann hier im Palast. Es gibt Diener, Soldaten, junge Beamte, die noch keine Familie haben, ganz zu schweigen von den vielen Männern außerhalb der Palastmauern. Selbst die Eunuchen sind, sofern sie Geschick und Fantasie besitzen, durchaus in der Lage, einer Frau die eine oder andere Gefälligkeit zu erweisen.«
    »Aber wie soll das funktionieren? Nuh II. lässt seinen Harem doch nie aus den Augen.«
    »Natürlich ist es nicht ungefährlich«, antwortete Sekireh. »Doch vielleicht ist auch gerade das der Reiz in einem ansonsten tristen Leben. Die Gefahr ist anziehend, attraktiv und niemals langweilig. Manche riskieren sogar ihr Leben dabei.« Sie machte eine kurze Pause. »Söhnen aus vornehmen Häusern droht die Verbannung. Alle anderen werden entweder dem Scharfrichter vorgeführt oder verschwinden für den Rest ihres Lebens im Kerker. Frauen werden nur selten hingerichtet. Sie werden meistens ausgepeitscht oder gezwungen, der Hinrichtung ihres Geliebten beizuwohnen.«
    »Aber das ist doch…«
    »Grausam?« Sekireh neigte den Kopf zur Seite. »Vielleicht hast du recht. Doch jeder hier kennt diese Regeln. Und wer dennoch das Risiko eingehen will, ob aus wahrer Liebe oder bloßem Vergnügen, der muss bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.« Sie stützte sich auf ihren Stock und erhob sich schwerfällig. »Aber ich habe dich genug mit meinem Geplauder gelangweilt. Ich werde jetzt wieder in mein Gemach zurückkehren.«
    »Du hast mich noch nie gelangweilt, Sekireh«, erwiderte Beatrice. »Von mir aus kannst du gern länger bleiben.«
    »In Wahrheit fühle ich mich müde und erschöpft. Ich sehne mich danach, mich in mein Bett zurückzuziehen. Aber das wollte ich eigentlich nicht zugeben«, sagte Sekireh mit einem traurigen Lächeln. »Von Tag zu Tag ermüde ich schneller. Ich glaube, der Tag ist nicht mehr fern, an dem ich aus dem Schlaf nicht mehr erwache.«

    Als sie gemeinsam auf den Gang hinaustraten, war dieser menschenleer. Weit und breit war weder eine der anderen Frauen noch eine der Dienerinnen zu sehen. Nicht einmal einer der Eunuchen, die sonst die Frauen auf Schritt und Tritt verfolgten, ließ sich blicken. Es war fast beängstigend still, wie ausgestorben.
    »Was ist denn hier los?«, wunderte sich Beatrice. »So ruhig habe ich es hier ja noch nie erlebt.«
    »Ist es etwa schon so spät, dass die anderen bereits alle im Garten sind? Vielleicht haben wir den Gong überhört.«
    »Möglich, aber…« Zweifelnd schüttelte Beatrice den Kopf. Der Gong, der jeden Abend die »Stunde der Frauen« ankündigte, wurde dreimal geschlagen und war so laut, dass er bis in den letzten Winkel des Palastes deutlich zu hören war.
    »Du hast recht«, stimmte Sekireh zu. »Das ist sehr unwahrscheinlich.«
    »Aber wo sind sie dann alle?«
    Sekireh zuckte mit den Schultern. »Das ist mir egal. Ich bin müde und will in mein Bett.«
    Ohne auf Sekirehs Proteste zu achten, hakte Beatrice die alte Frau unter. »Ich komme mit«, sagte sie mit einem Lächeln. Sekireh hatte einen ziemlich weiten Weg zurückzulegen, bei ihren Knochenschmerzen eine wahre Tortur.
    Sekireh schimpfte zwar noch eine Weile über die Starrsinnigkeit der Frauen aus dem Norden, stützte sich aber dennoch dankbar auf Beatrices Arm. Langsam und bedächtig gingen sie den verlassenen stillen Gang entlang. Doch als sie in den Gang einbogen, der zu der Galerie führte,

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