Die Steine der Fatima
nie ein Mann berührt. Bislang wollte keiner etwas von dir wissen. Und weil du das nicht ertragen kannst, versuchst du, auch uns die Freude zu verderben.«
»Du kennst doch weder mich noch mein Leben, und von meiner Heimat weißt du schon gar nichts. Also hör auf damit, die Hellseherin zu spielen und irgendwelche Dinge zu erfinden.«
»Aber es ist doch so, nicht wahr?«, fuhr Mirwat mit einem bösartigem Lachen fort. »Du bist immer noch Jungfrau. Du weißt nicht, wie es ist, wenn ein Mann deinetwegen derart in Ekstase gerät, dass er für dich sein Leben geben würde. Du hast keine Ahnung davon, welche Macht die Liebe einer Frau verleiht. Und das ärgert dich.«
Beatrice war einen Augenblick lang sprachlos. Was sollte sie darauf noch erwidern? Mirwat war verstockt und Argumenten ganz offensichtlich nicht zugänglich. »Ich glaube, wir sollten dieses Gespräch beenden«, sagte sie und schüttelte resigniert den Kopf. »Ich habe den Eindruck, dass es zu nichts führt.«
»Eine Frau ist nicht dazu geschaffen, unberührt zu sterben oder sich den Freuden der Liebe zu verschließen, Beatrice. Tut sie es doch, dann verbittert sie, sie wird hässlich und alt. Schau dir nur mal Sekireh an. Und wenn du nicht bereit bist, diese Wahrheit zu begreifen, kannst du mir nur leid tun. Du magst dich in der Heilkunde auskennen, aber abgesehen davon weißt du gar nichts. Du bist erbärmlich. Du hast…«
»Das reicht jetzt, Mirwat!«, unterbrach Beatrice sie. Sie kochte innerlich vor Wut. »Wenn du nur gekommen bist, um mich zu beleidigen, solltest du jetzt besser wieder gehen.«
»Ja, ich glaube auch, dass es besser ist. Du bist…«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür erneut, und Sekireh stand auf der Schwelle.
»Ich störe euch wirklich nur ungern in eurer angeregten Unterhaltung, aber ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen, Beatrice.«
»Du störst keineswegs, Sekireh«, erwiderte Beatrice, die den Anblick der kleinen zarten aufrechten Gestalt selten als so wohltuend empfunden hatte wie gerade in diesem Moment.
»Wir haben alles gesagt, was zu sagen ist, und Mirwat wollte ohnehin gerade gehen.«
Mirwat warf Sekireh und Beatrice einen wütenden Blick zu und rauschte ohne ein weiteres Wort davon.
Beatrice schloss sorgfältig die Tür hinter ihr und atmete erleichtert auf. Unterdessen trat Sekireh langsam zum Bett. Wie immer stützte sie sich auf ihren Stock, und sicherlich riss sie sich zusammen, um sich keine Blöße zu geben, aber dennoch fiel Beatrice auf, dass die alte Frau stärker humpelte als gewöhnlich.
»Wie geht es dir, Sekireh?«, erkundigte sie sich besorgt.
»Nicht besser, aber auch nicht schlechter – zumindest nicht wesentlich.« Sekireh setzte sich vorsichtig auf Beatrices Bett und verzog das Gesicht. »Sieh mich nicht so an. Du bist eine Plage, Beatrice. Nichts kann ich vor dir verbergen.«
Beatrice lächelte. Sie mochte die alte Frau von Tag zu Tag mehr. Und der Gedanke, dass sie in absehbarer Zeit sterben würde, schien sie mehr zu belasten als Sekireh selbst.
»Weshalb wolltest du mit mir sprechen?«, fragte sie.
»Ach, nicht so wichtig«, erwiderte Sekireh und winkte ab. »Eigentlich kam ich, um ein bisschen mit dir zu plaudern. Jetzt, zum Ende meines Lebens, werde ich redselig. Dann merkte ich, dass du bereits anderweitig beschäftigt warst, und ich dachte mir, dass ich euch beiden die Gelegenheit geben sollte, nachzudenken. Sonst fallen unter Umständen noch Worte, die sich nicht mehr zurücknehmen lassen.« Sie stützte sich auf den Knauf ihres Stocks und sah Beatrice mitfühlend an. »Das war wohl ein ziemlich übler Streit?«
»Ja, in der Tat«, antwortete Beatrice und ließ sich neben Sekireh auf das Bett fallen. Plötzlich fühlte sie sich ausgepumpt und erschöpft. »Hast du mitbekommen, worum es ging?«
»Nun, ich mag zwar schon mit einem Bein im Grab stehen, aber mein Gehör funktioniert immer noch tadellos. Außerdem habt ihr laut und deutlich gesprochen.«
Beatrice sah Sekireh entsetzt an. »Dann hast du auch gehört…«
»Was Mirwat über mich gesagt hat?« Sekireh lachte herzlich. »Natürlich habe ich das. Aber das waren keine Neuigkeiten!«
Beatrice schüttelte den Kopf. Warum? Warum nur war Mirwat auf einmal so bösartig? Sie hatte ihr doch gar nichts getan? Und weshalb musste sie zusätzlich noch eine schwer kranke, sterbende Frau verletzen?
»Mach dir nichts daraus«, meinte Sekireh und legte ihr aufmunternd eine Hand auf das Knie. »Mirwats Sicht von
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